Es klingt bizarr: Ein Staatsdiener lässt sich per Ritterschlag zum Ku-Klux-Klan-Mitglied machen. Dass zwei Polizisten dem Geheimbund angehörten, flog durch Ermittlungen zum Mord an ihrer Kollegin Kiesewetter auf.
Stuttgart. Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) will Licht in die Mitgliedschaft zweier Bereitschaftspolizisten bei einer Ku-Klux-Klan-Gruppe (KKK) bringen. Er habe Landespolizeipräsident Wolf Hammann beauftragt, in spätestens zwei Wochen ein umfassendes Bild der Gruppierung, möglichen Aktivitäten oder Straftaten der Beamten sowie zu damals ergriffenen disziplinarrechtlichen Konsequenzen abzuliefern. „Ich will wissen, was damals geschah“, sagte Gall der Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch in Stuttgart.
+++ Bundespolizei und Verfassungsschutz haben neue Chefs +++
Die Beamten gehörten 2002 dem rassistischen Geheimbund „European White Knight of the Ku Klux Klan – Realm of Germany“ (EWK KKK) an - einer ein halbes Jahr, der andere kürzer. Die Beamten hätten disziplinarrechtliche Folgen zu tragen gehabt, sagte ein Sprecher Galls, ohne konkret zu werden. Sie seien aber noch im Dienst.
Die Mitgliedschaft baden-württembergischer Polizisten im Ku-Klux-Klan wird nach Angaben der Landtags-Grünen ein parlamentarisches Nachspiel haben. Ihr Innenexperte Uli Sckerl sagte am Mittwoch: „Polizisten beim rassistischen KKK, das ist für uns völlig unvorstellbar und unakzeptabel.“
Laut Verfassungsschutz wurden seit 2003 im Südwesten keine Aktivitäten der im Oktober 2000 von einem deutschen Rechtsextremisten gegründeten Vereinigung mehr festgestellt. Die Behörde teilte weiter mit, der KKK und seine in Deutschland auftretenden Gruppen seien seit 2001 vom Verfassungsschutz des Bundes und der Länder beobachtet worden. Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Ziele waren die rassistische Ideologie und antisemitische Einstellungen. Dem Verfassungsschutz sind aktuell keine KKK-Aktivitäten im Südwesten bekannt.
Die baden-württembergischen Polizisten haben als EWK- KKK-Mitglieder an Ritualen im Raum Schwäbisch Hall teilgenommen. Ermittlungen rund um den Mord an ihrer Kollegin Michèle Kiesewetter hätten die dubiose Nähe der beiden Bereitschaftspolizisten aus Böblingen zum rassistischen Geheimbund aufgedeckt, berichtete ein Sprecher des Innenministeriums.
Die junge Beamtin, als Bereitschaftspolizistin den beiden Kollegen bekannt, war 2007 in Heilbronn erschossen worden. Einer der beiden war ihr damaliger Gruppenführer, der andere ein Kollege. Einer der beiden heute 32 und 42 Jahre alten Männer war laut Ministerium per Ritterschlag in die KKK-Sektion aufgenommen worden, die damals rund 20 Mitglieder hatte.
Die Bundesanwaltschaft erklärte am Mittwoch auf Anfrage erneut, der Mord lasse sich ausschließlich den drei Mitgliedern der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle NSU zurechnen. Es gebe keine Hinweise, dass sich andere an dem Mordanschlag beteiligt hätten.
Dass die Akten zu den KKK-Mitgliedern in den Unterlagen des Bundestags-Untersuchungsausschusse zu den Morden der Neonazi-Terrorzelle NSU gefunden wurden, sei nicht verwunderlich, erläuterte der Ministeriumssprecher. Denn bei einem Mordfall werde sowohl das berufliche als auch das persönliche Umfeld des Opfers überprüft.
Die rassistische Terrorvereinigung Ku-Klux-Klan wurde 1865 im US-Bundesstaat Tennessee gegründet. Mit Morden an Schwarzen und Attentaten auf Politiker kämpfte der Geheimbund gegen die Abschaffung der Sklaverei. Bei nächtlichen Überfällen trugen seine Mitglieder weiße Kutten mit Kapuzen und verbreiteten mit brennenden Kreuzen Angst und Schrecken. Für verfassungswidrig erklärt wurde der Klan 1882 aufgelöst. Ein 1915 gegründeter zweiter Ku-Klux- Klan soll 1920 in den USA vier Millionen Mitglieder gezählt haben.
In den 1960er Jahren erregten seine Aktivisten mit Aktionen gegen Mitglieder der schwarzen Bürgerrechtsbewegung Aufsehen. Seit den 1990er Jahre greift der Ku-Klux-Klan gezielt schwarze Kirchengemeinden an. Nach Schätzungen von Experten zählt der Klan in den USA heute 5000 bis 8000 Mitglieder in rund 150 unabhängigen Ortsgruppen. Der Bund knüpfte Kontakte zu Rechtsextremisten im Ausland, darunter auch in Deutschland. Die „Europäischen weißen Ritter vom brennenden Kreuz“ (European White Knights of the Burning Cross) gelten als europäischer Ableger des Klans.
Deutsche Presseschau
Weser-Kurier (Bremen): Es ist erst drei Wochen her, dass ein schlimmer Vorwurf gegen deutsche Sicherheitsbehörden für Empörung sorgte. Von „institutionellem Rassismus“ hatte Kenan Kolat, der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, gesprochen – und damit heftigen Widerspruch nicht nur von Seiten der Polizei und des Verfassungsschutzes geerntet. Und jetzt das: Zwei Polizisten mischten beim rechtsextremen Ku-Klux-Klan mit. Hatte Kolat mit seinem Vorwurf also doch Recht? Natürlich lässt sich aus dem jetzt bekannt gewordenen Vorfall keine grundsätzliche rassistische Tendenz innerhalb der deutschen Sicherheitsbehörden herauslesen. Polizisten von vornherein eine Nähe zu rechtem Gedankengut zu unterstellen, ist absurd. Doch der Fall der beiden baden-württembergischen Beamten steht in Zusammenhang mit anderen Vorfällen, die in der Summe doch einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen. Da ist zum einen die Pannen- (und Vertuschungs-?)affäre bei den Ermittlungen zu den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Jahrelang sah niemand einen rechtsextremen Hintergrund, später wurden wichtige Akten geschreddert. Und nun stellt sich heraus, dass ausgerechnet zwei Kollegen eines der NSU-Mordopfer, zwei Polizeibeamte, selbst bei einer radikalen Vereinigung waren. Die Hüter von Recht und Gesetz bei einem Rassistenbund! Als alles herauskommt, behaupten sie doch allen Ernstes, nicht gewusst zu haben, um wen es sich beim Ku-Klux-Klan handelt. Vielleicht um eine lustige Trachtengruppe mit ein paar spleenigen Ritualen? Die Konsequenzen jedenfalls waren offensichtlich nicht so gravierend, beide Beamte sind noch im Dienst. Ein unglaublicher Vorgang. Es ist schon eine ganze Menge, was da zusammenkommt. Und Fälle wie diese konterkarieren all die – richtigen - Anstrengungen, den Vorwurf eines Rechtsdralls bei den Sicherheitskräften zu widerlegen. Vielleicht schafft es ja der NSU-Untersuchungsausschuss, die Hintergründe des Ku-Klux-Klan-Vorfalls genauer zu beleuchten. Bei all der Arbeit kommt es auf die eine Affäre mehr oder weniger auch nicht mehr an.
Südkurier (Konstanz): Zwei Kollegen der von der Zwickauer Terrorzelle ermordeten Heilbronner Polizistin waren Mitglieder beim Ku-Klux-Klan – und damit Gesinnungsgenossen der Mörder. Fataler geht es nicht. Denn das Vertrauen in den Rechtsstaat wird durch solche Erkenntnisse weiter erschüttert. Gerade Zuwanderer mussten im Zuge der Mordserie den Eindruck gewinnen, im deutschen Sicherheitsapparat seien manche auf dem rechten Auge blind. In den Reihen der baden-württembergischen Polizei haben die beiden Kapuzenträger daher nichts zu suchen. Dass sie bis heute im Dienst sind, ist mehr als ärgerlich. Überflüssig ist dagegen der Versuch, die Affäre parteitaktisch auszuschlachten, wie es die Grünen versuchen. Als das Nazi-Trio wütete, regierte in Stuttgart ein CDU-Innenminister. In Berlin jedoch war Rot-Grün an der Macht. Wer will da den ersten Stein werfen?
Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg): Als ob der braune Sumpf im Fall der Terrorgruppe NSU nicht schon tief und schmutzig genug wäre, jetzt sollen die verbeamteten Kollegen eines ihrer Opfer auch noch beim Ku Klux Klan Mitglieder gewesen sein. Dieser Umstand ist nicht nur unerhört, er verweist vielmehr darauf, dass bei Deutschlands Sicherheitsbehörden allzu viel im Argen zu liegen scheint.
Delmenhorster Kreisblatt: Die Abgründe, in die wir blicken, werden tiefer und tiefer. Allzu schlampige Ermittlungen gegen Rechtsextremisten, angeordnete Aktenvernichtung in einem hoch brisanten, laufenden Fall – und jetzt auch noch der finstere Ku-Klux-Klan im Ländle. Bei der Aufklärungsarbeit des NSU-Untersuchungsausschusses werden wir uns wohl auf noch weitere unglaubliche Details aus dem Innenleben unseres Staates einstellen müssen – ob sie nun direkt mit der Neonazi-Mordserie zusammen hängen oder nicht. In Deutschlands Ermittlungsbehörden liegt offenbar einiges im Argen.
Mit Material von dpa