“Absichtliche Verfehlungen“ innerhalb der Behörde müssten geahndet werden, sagt der Innenminister. Zschäpe-Anklage wird vorbereitet.
Berlin. Innenminister Hans-Peter Friedrich geht mit dem Verfassungsschutz hart ins Gericht. „Dort, wo es absichtliche Verfehlungen gegeben hat, werden knallharte Konsequenzen gezogen“, sagte der CSU-Politiker der „Bild am Sonntag“. Sein Amtsvorgänger Otto Schily (SPD) plädierte im dapd-Interview für eine „straffere Organisation“ des Geheimdienstes, zeigte sich aber wenig optimistisch, dass derartige Reformen durchgesetzt werden können. Auch in der Koalition wird offenbar über eine große Reform der Sicherheitsbehörden diskutiert.
Unterdessen stellte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) klar, dass auch bei der Operation „Safira“ keine V-Leute in der Neonazi-Terrorgruppe NSU oder im Unterstützerkreis der Gruppe geführt worden seien. Die Operation „Safira“ unternahm der Geheimdienst zwischen 2003 und 2005 im Anschluss an die umstrittene Operation „Rennsteig“ zur Gewinnung von V-Leuten in der Thüringer Neonazi-Szene. Der Untersuchungsausschuss zum Rechtsterror hatte in der vergangen Woche die „Rennsteig“-Akten geprüft und danach erklärt, die Behörde habe im Zuge der Operation keine Spitzel in der Terrororganisation oder seinem Umfeld geführt.
Der Verfassungsschutz steht wegen Ermittlungsfehlern im Fall der im November 2011 aufgeflogenen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) seit Monaten in der Kritik. Die Gruppe agierte mehr als ein Jahrzehnt unentdeckt von den Behörden im Untergrund und ermordete bundesweit zehn Menschen. Vergangene Woche war überdies bekannt geworden, dass im Verfassungsschutz just nach Auffliegen der Terroristen Akten zum Fall des NSU geschreddert wurden. Behördenchef Heinz Fromm hatte daraufhin seinen Rückzug vom Amt zum Ende des Monats angekündigt.
Friedrich ist „fassungslos“
Bestürzt zeigte sich Friedrich vor allem über die Aktenvernichtung: „Ich bin fassungslos über diesen Vorgang.“ Es gebe immer noch nur Erklärungsansätze für das Verhalten des für den Vorgang verantwortlichen Mitarbeiters des Verfassungsschutzes. Dieser war am Donnerstag vom Untersuchungsausschuss vernommen worden, machte aber keine konkreten Angaben zu seinem Motiv. „Durch die Aktenvernichtung wird allen Vorurteilen und Verschwörungstheorien gegen den Verfassungsschutz Nahrung gegeben“, warnte Friedrich. „Die Angehörigen, die ja zum Teil selbst unter Verdacht standen, erwarten zurecht, dass alles genau untersucht wird.“
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Wie die „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ berichtet, wird in der schwarz-gelben Koalition über eine große Reform der Sicherheitsbehörden diskutiert. Dabei könnte es um die Einführung des Amts eines nationalen Sicherheitsberaters oder eine Verlagerung der Aufsicht des Bundesnachrichtendienstes (BND) vom Kanzleramt an das Verteidigungsministerium gehen. Thema sei zudem eine Beschneidung der Kompetenzen des Bundesamtes für Verfassungsschutz um die Auslandsbezüge des islamistischen Terrorismus oder die Bedrohung durch Cyber-Attacken.
Reformpläne scheiterten bisher an Ländern
Auch nach Einschätzung des früheren Bundesinnenministers Schily muss die Sicherheitsarchitektur in Deutschland grundlegend umgebaut werden. Dringend erforderlich sei, „durch die Stärkung der Bundeskomponente den Informationsfluss über die Ländergrenzen hinweg zu verbessern“, sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur dapd. Dies sei „vor allem notwendig, wenn wir es mit überregionalen Phänomenen wie Terrorismus und organisierter Kriminalität zu tun haben“.
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Schily sagte weiter, er habe bereits als Minister „auf das Problem der Zersplitterung des Verfassungsschutzes hingewiesen und vorgeschlagen, die 16 Landesämter in das Bundesamt als dezentrale Stellen einzugliedern“. Er habe eine grundlegende Reform jedoch gegen den Widerstand der Länder nicht realisieren können.
Mit Material von dapd