EU-Kommissionspräsident zeigt sich überzeugt, dass seine Ideen für Stabilitäts-Anleihen innerhalb Europas “ihren Weg machen werden“.
Brüssel. Die EU-Kommission provoziert Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Vorschlägen für gemeinsame Anleihen der Euro-Länder - und kommt Berliner Bedenken gleichzeitig entgegen: mit zwei konkreten Gesetzesvorschlägen nämlich, die eine erheblich strengere Überwachung der Reformbemühungen in den hoch verschuldeten Ländern der Euro-Zone bedeuten. Sie würden der Kommission erlauben, schon vor Verabschiedung der nationalen Budgetpläne in die Staatsausgaben einzugreifen und, wenn nötig, Veränderungen einzufordern. "Ohne eine strengere Steuerung wird es schwierig bis unmöglich, die gemeinsame Währung aufrechtzuerhalten", sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso gestern in Brüssel.
Das liegt voll auf deutscher Linie - und stellt in der Sache ein sanftes Einlenken der Kommission dar: Gegen Euro-Bonds war der Widerstand des Mitgliedslandes mit der größten Wirtschaftsleistung und besten Bonität schon vor der Veröffentlichung der Pläne so vehement, dass Barroso zunächst keine Chance dafür sehen konnte. Mit Merkels scharf formuliertem Protest gegen seinen Diskussionsvorschlag ging aber auch gestern im Bundestag die Forderung einher, die Einhaltung der Stabilitätsregeln besser zu überwachen. Das Berliner Rezept gegen die Krise ist, Ländern in Not zwar zu helfen, aber auf sparsames Wirtschaften zu achten und dies engmaschig zu kontrollieren.
Eine gemeinsame Schuldenaufnahme aller Euro-Länder würde von Griechen, Portugiesen und Italienern den disziplinierenden Druck der Finanzmärkte nehmen, so die Argumentation. Dem wollen die beiden Verordnungsentwürfe für eine wirtschaftliche Überwachung vorbeugen. Konkret sehen sie vor, dass jedes Euro-Land bis zum 15. Oktober eines Jahres seinen Budgetentwurf bei der Kommission einreichen muss, noch bevor das eigene Parlament darüber abstimmt. Kommt die Kommission zur Auffassung, dass das Land Gefahr läuft, im folgenden Jahr die Stabilitätskriterien nicht einhalten zu können, hat sie sechs Wochen Zeit, um Nachbesserungen zu verlangen. "Wir werden unsere Bedenken auch den nationalen Parlamenten präsentieren, wenn wir dazu aufgefordert werden", sagte Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn.
Weiter sehen die Vorschläge vor, dass Krisenstaaten künftig offiziell aufgefordert werden können, Finanzspritzen anzunehmen, um die Euro-Zone als Ganzes nicht zu destabilisieren. "Die Erfahrung hat gezeigt, dass Mitgliedstaaten bis zum letzten Augenblick ein Hilfsprogramm vermeiden wollen", sagte Rehn. Auch Barroso sieht die Kommission in der Pflicht, die Euro-Zone zu disziplinieren: "In guten Zeiten denken die Menschen, dass schlechte niemals kommen werden. Deswegen sind wir heute in dieser Krise." Ländern mit "schwerwiegenden Problemen hinsichtlich ihrer finanziellen Stabilität" droht künftig eine Daueraufsicht - solchen, die Hilfen empfangen, noch Jahre später: Die Kommission will die Bücher prüfen, bis drei Viertel der Kredite zurückgezahlt sind.
Das sehen Merkels Fahrensleute in Brüssel gern: "Damit operiert die Europäische Kommission endlich mit dem richtigen Solidaritätsbegriff", sagte der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok. Wer sich helfen lassen wolle, müsse Kontrollen hinnehmen. "Diese Schrittfolge ist richtig", sagte Brok: nämlich zunächst die Dinge zu regeln, für die keine Veränderung der europäischen Verträge nötig sei. Für die Einführung von Euro-Bonds in Reinform, also die gemeinschaftliche Schuldenaufnahme als Ersatz für nationale Anleihen, wäre dies nötig.
Barroso wollte die Vorschläge für Euro-Bonds als "Diskussionsgrundlage" verstanden wissen und verwahrte sich streng gegen vorab geäußerte Kritik. "Ich denke nicht, dass es angebracht ist, von Anfang an zu sagen, dass eine Debatte nicht geführt werden soll", sagte er, ohne die Bundeskanzlerin explizit zu nennen. Merkel hatte im Bundestag gesagt: "Ich halte es für außerordentlich bekümmerlich, unpassend, dass die Kommission heute Euro-Bonds vorschlägt." Das vermittele, dass die strukturellen Mängel der Währungsunion durch die Vergemeinschaftung von Schulden behoben werden könnten. "Genau das wird nicht klappen." Gegen Euro-Bonds sind auch Finnland und die Niederlande. Der Den Haager Finanzminister Jan Kees de Jager sagte: "Euro-Bonds sind nicht die magische Lösung für die derzeitige Krise und könnten sie sogar noch verschlimmern."
Barroso zeigte sich dagegen überzeugt, dass seine Euro-Bonds-Idee "ihren Weg machen" werde. Das Dokument ist, im Gegensatz zu den Vorschlägen über strengere Haushaltskontrollen, nur eine Machbarkeitsstudie und kein Gesetzesvorschlag. Barroso ließ durchblicken, er glaube, der deutsche Widerstand sei zu brechen. "Ich stimme nicht zu, dass es in irgendeinem Mitgliedstaat einen absoluten Widerstand gibt." Die Bedenken von - nicht näher genannten - "Leuten in Deutschland" drehten sich vor allem um die zeitliche Planung. "Ich bin sehr ermutigt, wenn es Vorbehalte wegen des Timings gibt. Das heißt, es gibt keinen prinzipiellen Widerstand."