Beratungen wurden auf den 17. Januar vertagt. 50.000 Hamburger Kinder warten aufs Bildungspaket, das die Jobcenter sofort umsetzen könnten.
Berlin. Die Verhandlungen über die Hartz-IV-Reform gehen weiter. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses, die am Freitag zum ersten Mal seit der Weihnachtspause zusammenkam, vertagte sich am späten Abend auf den 17. Januar. Dann soll weiter über die Neuregelung des Arbeitslosengelds II verhandelt werde. Es habe erste Annäherungen gegeben, sagten Teilnehmer nach den zehnstündigen Gesprächen.
SPD und Grüne fordern weitreichende Änderungen der Vorlage von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sie hatte schon vor der Verhandlungsrunde ihre Bereitschaft angekündigt, das geplante Bildungspaket auf die Kinder von Wohngeldempfängern auszuweiten. Hierzu sei sie "gerne bereit". Auch bei dem von der SPD geforderten flächendeckenden Mindestlohn bot von der Leyen im Bereich Zeitarbeit einen Kompromiss an. Beide Zugeständnisse reichen den Sozialdemokraten jedoch nicht.
"Es muss sich in allen drei Bereichen etwas ändern, und es geht nicht, dass das eine gegen das andere ausgespielt wird", sagte die SPD-Vizechefin Manuela Schwesig, die für ihre Partei die Verhandlungen führt. Neben einer Ausweitung des Bildungspakets und dem Mindestlohn beharrt die SPD auf einer Neuberechnung der Regelsätze. Auch Grünen-Unterhändler Fritz Kuhn verlangte, die Höhe der monatlichen Zahlungen nicht auszunehmen.
Vor Beginn der Detailgespräche in drei Unterarbeitsgruppen hatten beide Seiten Einigungswillen bekundet. Der bisherige Entwurf sieht eine Erhöhung der Regelsätze von 359 Euro auf 364 Euro monatlich vor. Zudem ist ein 740 Millionen Euro schweres Bildungspaket für bundesweit rund 2,3 Millionen bedürftige Kinder geplant. In Hamburg sind rund 50 000 Kinder betroffen, denen mithilfe eines Gutscheinsystems die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden soll. Konkret heißt das, dass ihnen etwa die Mitgliedschaft in einem Sportverein, Musikunterricht oder Nachhilfestunden finanziert werden.
Organisiert wird das durch die Jobcenter - in der Hansestadt ist man gut auf die Maßnahme vorbereitet. "Wir haben im letzten Jahr mit Hochdruck daran gearbeitet, die Anforderungen ab 1. Januar umsetzen zu können, und stehen jetzt in den Startlöchern", bestätigt Horst Weise, Sprecher der Hamburger Jobcenter, dem Abendblatt. "Sobald sich die Parteien im Vermittlungsausschuss geeinigt haben und der Bundesrat die Hartz-IV-Reform beschließt, können wir loslegen."
Tatsächlich könnte es aber noch etwas dauern, bis es so weit ist. Denn wenn sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe geeinigt hat, müssen erst Bundestag und Bundesrat zustimmen. Das nächste Mal tagt die Länderkammer jedoch erst am 11. Februar. Der Paritätische Wohlfahrtsverband plädierte angesichts der Verzögerung dafür, die Leistungen für die Kinder unmittelbar freizugeben. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider sagte dem Abendblatt: "Die Ministerin hätte es in der Hand, wenn sie guten Willens wäre, durch eine Dienstanweisung an die Jobcenter dafür zu sorgen, dass die Kinder aus Hartz-IV-Familien ab sofort in angemessenem und vertretbarem Umfang die Kosten für Musikunterricht oder den Sportverein bezahlt bekommen würden", sagte er. "Die rechtlichen Grundlagen dafür sind gegeben."
SPD und Grüne hatten die Hartz-IV-Reform Mitte Dezember im Bundesrat blockiert. Vor allem am Bildungspaket fordern beide Parteien Nachbesserungen. So verlangt die SPD nicht nur eine Ausweitung, sondern vor allem mehr Sozialarbeiter an Schulen. Dazu legte Schwesig gestern einen Stufenplan vor. Mit 200 Millionen Euro und etwa 4000 Stellen soll nach Vorstellungen der Opposition das Programm 2011 starten - bis dann ab 2015 für jede der 43 000 Schulen in Deutschland mindestens ein Sozialarbeiter zur Verfügung steht. Die SPD rechnet mit Gesamtkosten von zwei Milliarden Euro - die "überwiegend" der Bund zahlen soll.
Schwesig griff von der Leyen dafür an, dass die höheren Leistungen nicht schon jetzt vorläufig ausgezahlt werden. "Jetzt blockiert sie an dieser Stelle, um uns zu erpressen", warf die SPD-Politikerin der Arbeitsministerin vor. Trotz erster Annäherungen von Regierung und Opposition gibt es noch viel Konfliktpotenzial. Die Verhandlungen sollen am Wochenende weitergehen.