Die Rede des FDP-Chefs Guido Westerwelle sorgt für großen Jubel auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart. Die kämpferische Rede verschafft Westerwelle eine Atempause in der FDP.
Stuttgart. Mit großer Spannung ist die Rede des FDP-Chefs Guido Westerwelle erwartet worden. Am Ende der Rede entlädt sich diese Spannung in stehenden Ovationen: Auf dem Dreikönigstreffen im bis auf den letzten Platz besetzten Stuttgarter Staatstheater jubeln die Delegierten dem FDP-Chef Guido Westerwelle zu. Später sagte Fraktionschefin Birgit Homburger, dass sie nach diesem "fulminanten Auftakt“ des liberalen Jahres nicht erwarte, dass noch jemand die Personaldebatte in der Partei weiterführen wolle. Die von dem FDP-Chef und Außenminister kämpferisch und konzentriert vorgetragenen Rede hat Westerwelle tatsächlich erst einmal eine Atempause verschafft. Sollte die FDP bei den Landtagswahlen in Baden Württemberg und Rheinland-Pfalz im März jedoch Niederlagen einfahren, spätestens dann dürfte die Debatte um seine Führungsposition erneut entfacht werden.
Auf einem FDP-Chef lag selten so viel Druck vor einem Dreikönigstreffen wie in diesem Jahr: Grund dafür sind die aktuellen Umfragewerte, die seit dem zweistelligen Wahlergebnis der FDP im Jahr 2009 teilweise sogar unter die Fünf-Prozent-Marke gefallen waren. Innerparteilich wurden Forderungen nach einer Ablösung Westerwelles laut. Die Erwatungen an die Rede des Parteichefs waren deshalb hoch gesteckt, die Westerwelle dem Vernehmen nach während seines zweiwöchigen Urlaubsaufenthalts in Ägypten akribisch vorbereitete. So hoch, dass der mitunter als potenzieller Westerwelle-Nachfolger gehandelte Generalsekretär Christian Lindner vor dem Stuttgarter Treffen beschwichtigend mitteilte, er halte nichts davon, "das zu einer Schicksalsrede hochzujazzen“.
+++ Lesen Sie im Live-Ticker die Höhepunkte der Rede +++
Im Stuttgarter Opernhaus ließ sich Guido Westerwelle selbst seine Nervosität zumindest nicht anmerken. Zum Auftakt seiner Rede entrollten einige Demonstranten der Grünen Jugend ein Transparent gegen das umstrittene Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21“. Westerwelle begrüßte sie unter dem Gelächter der Delegierten mit "jetzt habt ihr euch zum ersten Mal im Leben eine Krawatte umgebunden, um hier reinzukommen – herzlich willkommen“. Dann setzte der FDP-Chef an zu einer Tour de Force durch die Erfolge seiner Partei in der Koalition, lobte etwa den Einstieg in ein "wettbewerbliches Gesundheitssystem“ und das Bildungspaket für Kinder aus Hartz-IV-Familien. Auch wenn noch nicht alles geschafft sei, was sich die Partei nach der Bundestagswahl vorgenommen habe, "der Anfang ist gemacht, der politische Wechsel ist eingeleitet“.
Im Foyer des Theaters waren nach Westerwelles mehr als einstündigem Auftritt fast nur begeisterte Stimmen zu hören, obwohl die Ankündigungen zu den künftigen Plänen der Liberalen und der geforderten Neuausrichtung in der Koalition eher blass bleiben. Ein Delegierter, der seit 35 Jahren Mitglied der Stuttgarter FDP ist, sagte: "Er hat Defizite benannt und gezeigt, wir sind auf dem richtigen Weg.“ Westerwelle habe die Inhalte der Politik der FDP gut dargestellt, freute sich eine junge Delegierte.
Westerwelle denkt nicht an einen Rückzug aus dem Amt des Parteichefs oder des Außenministers, das machte seine Rede deutlich. Westerwelle sagte mit Blick auf den Ärger, den die Basis über den missglückten Start der Koalition und über seine Bemerkungen über die "spätrömische Dekadenz“ in der Hartz-IV-Debatte oder über die Enttarnung eines Maulwurfs der US-Botschaft in seinem eigenen Büro äußerte, Kritik und Selbstkritik seien Bürgerpflicht. Doch angesichts der kommenden sieben Landtagswahlen will Westerwelle vor allem "kämpfen, weil Deutschland etwas anderes verdient hat als linke Mehrheiten“.
Mehr als eine Atempause hat sich der Parteichef am Donnerstag dennoch nicht verschafft: "Eine Rede macht noch keinen Sommer“, sagte der rheinland-pfälzische FDP-Fraktionschef Herbert Mertin, der Westerwelle zuletzt als "Klotz am Bein“ kritisiert hatte. Sollte die FDP bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg abrutschen, dürfte die Personalie Westerwelle wieder auf der Tagesordnung stehen. (abendblatt.de/afp)