Der Vorstoß von CSU-Parteichef Horst Seehofer löst scharfe Kritik aus. Das Innenministerium zeigt sich irritiert.
Hamburg/Berlin. Noch während am Wochenende der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan Deutschland besuchte, sagte der CSU-Chef dem "Focus", die Integrationsfähigkeit von Zuwanderern hänge auch von ihrer Herkunft ab. Mit der Forderung nach einem Zuwanderungsstopp für Ausländer aus "fremden Kulturkreisen" hat CSU-Chef Horst Seehofer die Koalitionspartner CDU und FDP massiv gegen sich aufgebracht. "Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen."
In der CSU sorgte der Vorstoß für Beifall. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, lobte seinen Parteichef. "Man kann doch nicht ernsthaft bestreiten, dass sich bei uns Zuwanderer aus fremden Kulturkreisen schwerer tun als Zuwanderer mit dem gleichen kulturellen Hintergrund wie die Deutschen", sagte Friedrich dem Abendblatt.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), zeigte sich "schockiert über die Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten". Der "Bild"-Zeitung sagte sie, Menschen aus einem anderen Kulturkreis dürften nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden. "Das grenzt aus und läuft allen Integrationsbemühungen zuwider." Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) distanzierte sich von Seehofers Aussagen: "Unser Land braucht eine rationale Integrations- und Migrationspolitik - und keine bewusst vereinfachende populistische Debatte über einen Zuwanderungsstopp." Deutschland sei und bleibe ein Einwanderungsland.
Das CDU-geführte Bundesinnenministerium reagierte irritiert auf Seehofers Vorstoß. "Die Forderung von Seehofer geht am eigentlichen Problem vorbei", sagte der parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder (CDU) der "Financial Times Deutschland". Nicht jede Zuwanderung aus dem arabischen Raum führe zu Integrationsproblemen. "Die politisch Verfolgten aus dem Iran etwa sind häufig hoch gebildet und glühende Anhänger unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung."
Die Opposition reagierte mit Empörung. Grünen-Bundestagsfraktionschefin Renate Künast warf Seehofer vor, den "Rechtspopulisten" zu geben. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, er trage "den sarrazinschen Rassismus und Sozialdarwinismus" in die deutsche Spitzenpolitik.
In Hamburg distanzierten sich Spitzen der schwarz-grünen Koalition von Seehofers Thesen. Der CDU-Landesvize und Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg warf Seehofer vor, Ursache und Wirkung zu vertauschen. "Die Zuwanderung ist nicht unser Problem, zumal diese rückläufig ist. Wer an den Fachkräftebedarf denkt, kann so etwas also nicht fordern", sagte er dem Abendblatt. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende GAL-Fraktionsvorsitzende Antje Möller. "Das ist eine populistische Forderung, die vollkommen an der politisch zu lösenden Aufgabe vorbeigeht." Es gelte jetzt, "Lösungsansätze für diejenigen zu finden, die in Deutschland schwer Fuß fassen." Das betreffe vor allem den Bildungsbereich und den Arbeitsmarkt.