Verteidigungsminister Guttenberg wies Kritik an der Afghanistan-Strategie zurück. Umgangssprachlich könne man jedoch von “Krieg“ reden.
Bonn/Kundus. Nach dem Tod von drei deutschen Soldaten beim Karfreitags-Gefechts zwischen Bundeswehr und radikal-islamischen Taliban-Kämpfern hat die Bundesregierung jede Kritik an ihrer neuen Afghanistan-Strategie zurückgewiesen.
Auf zahlreichen Ostermarsch-Kundgebungen in Deutschland forderten Demonstranten das Ende des Militär-Einsatzes. Verantwortung für die jüngsten Toten trage die „zynische und uneinsichtige Politik“ der Bundesregierung, hieß es.
„Wir bleiben in Afghanistan“, unterstrich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Sonntag. Zuvor hatte im deutschen Feldlager in Kundus eine Trauerfeier für die drei toten Soldaten stattgefunden. Die Gefechte vom Freitag machten deutlich, „wie sich die Realitäten darstellen und auch künftig darstellen können“, sagte Guttenberg. Der Einsatz bleibe gefährlich, und es sei nie auszuschließen, dass es Tote und Gefallene gebe. Die deutschen Soldaten leisteten ihren Dienst aber nicht umsonst.
Nach dem tödlichen Gefecht gebrauchte Gutenberg auch erstmals das Wort "Krieg" im Zusammenhang mit dem deutschen Afghanistan-Einsatz. „Auch wenn es nicht jedem gefällt, so kann man angesichts dessen, was sich in Afghanistan, in Teilen Afghanistans abspielt, durchaus umgangssprachlich – ich betone umgangssprachlich – in Afghanistan von Krieg reden“, sagte er. Bislang hatte er von „kriegsähnlichen Zuständen“ gesprochen und sich damit von der früheren Diktion eines Stabilisierungseinsatzes abgesetzt. Guttenberg erinnerte, dass die Bundeswehr in Afghanistan bleiben und das Land nicht „Hals über Kopf“ verlassen werde.
Guttenberg widersprach der Ansicht, dass die schweren Gefechte mit radikal-islamischen Taliban der Ausdruck eines Scheiterns der neuen Afghanistan-Strategie der Bundesregierung seien. „Der Einsatz dort ist und bleibt gefährlich“, sagte Guttenberg. Wenn aber wie am Karfreitag Patrouillenwege bekannt seien, werde das Vorgehen der Bundeswehr in gewissem Maße berechenbar. Zahlreiche Taliban hatten den deutschen Soldaten, die Sprengfallen räumen sollten, am Karfreitag aufgelauert. Die neue Strategie sieht eine Aufstockung des Kontingents von 4500 auf bis zu 5350 Soldaten sowie eine intensivere Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte vor.
Bei den schweren Kämpfen in der nordafghanischen Region Kundus waren drei deutsche Soldaten getötet und acht verletzt worden, vier von ihnen schwer. Durch deutschen Beschuss wurden auch sechs afghanische Soldaten irrtümlich getötet.
Guttenberg machte mehrfach deutlich, dass dieser Beschuss der befreundeten, afghanischen Kräfte sowohl von deutscher wie auch von NATO-Seite untersucht werde. Die Bundesregierung habe sich bei der afghanischen Seite entschuldigt. Zugleich hob der Minister bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem neuen Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker hervor, „die Perfidie und gleichzeitig auch die Komplexität des Anschlags“ zeigten die Realität in Afghanistan. Es scheine nicht zufällig der Karfreitag ausgewählt worden zu sein.
Aus dem Luftangriff im September, bei dem nahe Kundus bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt wurden, seien nicht die nötigen Lehren gezogen worden, sagte der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat der „Welt am Sonntag“. Es gebe ein „Unverständnis über die Bedingungen vor Ort und eine Ignoranz der Notwendigkeiten für die Streitkräfte. Unsere Soldaten sind dort nur in diese Lage geraten, weil sie – wie so oft – nicht mit den nötigen modernen Aufklärungssystemen ausgerüstet sind“, sagte er.
Bei der Trauerfeier in Kundus für die getöteten deutschen Soldaten machte Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) ebenfalls deutlich, dass der Einsatz in Afghanistan fortgesetzt werde. Der Minister war eigens länger in Afghanistan geblieben, um am Sonntag die Särge mit den toten Soldaten in seinem Flugzeug mit nach Deutschland nehmen zu können, die am Sonntag eintreffen sollen. Zwei der vier bei den Gefechten schwer verletzten deutschen Soldaten wurden im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz operiert. Ihr Zustand sei stabil, sagte ein Sprecher des Sanitätsführungskommandos. Am Sonntagabend landete ein Regierungs-Airbus mit den Särgen der drei getöteten Fallschirmjäger auf dem Flughafen Köln/Bonn.
Guttenberg brach seinen Osterurlaub in Südafrika ab, um am Sonntag auch die Verwundeten im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz zu besuchen und den Familien der getöteten Soldaten aus dem Standort Seedorf in Niedersachsen bei der Ankunft der Särge beizustehen.