Wird am Hindukusch Deutschlands Sicherheit verteidigt? Ex-Minister Peter Struck diskutierte mit Roger Willemsen über den Bundeswehreinsatz.
Hamburg. Der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck hat sich gegen den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ausgesprochen. „Wenn wir jetzt da rausgehen, würden die Taliban die politische und militärische Macht zurückgewinnen“, sagte Struck in Hamburg bei einer Podiumsdebatte der Körber-Stiftung mit dem Publizisten Roger Willemsen. „Das Land würde weit zurückfallen in vormoderne Zeiten. Und gerade die Erfolge des Wiederaufbaus Afghanistans werden mit einem Abzug zunichte gemacht“, so Struck.
Der Podcast zur Körber-Debate mit Peter Struck.
Knapp zwei Stunden lang diskutierte der Sozialdemokrat Struck mit Willemsen und den rund 300 Zuschauern über die Frage „Wird Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt?“. Im Dezember 2002, gut ein Jahr nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York, hatte Struck mit dieser Richtlinie das Ziel des Bundeswehr-Einsatzes am Hindukusch bestimmt. „Bei der Mission in Afghanistan geht es immer auch um Bündnistreue zu den Amerikanern und der Nato“, sagte Struck. „Auch wenn wir damals nicht geahnt haben, wie schwierig diese Mission werden würde, hatten wir keine Alternative zu dem Einsatz.“
Damals, so Struck, sei es darum gegangen, Ausbildungslager der Taliban zu zerstören und den Terroristen Osama bin Laden zu fassen. Das Ziel der Alliierten müsse heute vor allem sein, eine Hilfe für die Afghanen zu sein, damit sie am Ende wieder auf eigenen Füßen stehen und selbst die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernehmen könnten.
Den Gegenpol zu Strucks These nahm der Publizist Roger Willemsen ein. „Deutschland und die Alliierten führen einen Krieg, der nicht gewonnen werden kann“, sagte Willemsen. Zwar habe die Bundeswehr hervorragende Arbeit beim Aufbau von Schulen, Straßen und Wasserversorgungen geleistet. Doch das sei längst Vergangenheit. „Niemand kann sagen, dass Afghanistan sicherer geworden ist“, so Willemsen. Im Gegenteil: Mittlerweile sei der Konflikt am Hindukusch von einem reinen Bandenkrieg zu einem Krieg mit schwerem Gerät gewachsen, bei dem immer mehr tote Zivilisten zu beklagen seien. Und schon gar nicht werde die deutsche Sicherheit am Hindukusch verteidigt. „Glauben Sie wirklich, dass man unwegsames Gelände irgendwo in Afghanistan braucht, um hier terroristische Attentate zu verüben“, sagte Willemsen. „Was für eine naive und folkoristische Vorstellung.“ Der Terror des 11. Septembers sei in den USA, aber auch in Hamburg geplant worden. Nicht am Hindukusch.
In der „Körber Debate“ traf der emotionale Willemsen auf den rationalen Politiker Struck – und gerade das machte die Debatte spannend. Oft hörte man bei Struck den Satz: „Wir hatten damals keine Wahl“. Oft sprach er von Bündnistreue. Mal räumte er ein, dass die Bundesregierung naiv in den Einsatz gegangen sei. Doch immer wieder kam er zurück zu den Zwängen der Politik, die nach den Terroranschlägen von New York keine Wahl gehabt hätte, außer schnell zu handeln. Obwohl Struck schon seit dem vergangenen Herbst nicht mehr aktiv in der Politik ist, klang in seiner Argumentation immer auch der Verteidigungsminister durch. Er sprach von „meinen Soldaten“ - und er wünsche sich von den Deutschen mehr Unterstützung für die Bundeswehr.
Willemsen deckte mit klugen Argumenten und guter Recherche die Fehler der Strategie der Alliierten in Afghanistan auf. Er forderte den Abzug der Soldaten – auch wenn Deutschland dadurch sein Gesicht vor der internationalen Gemeinschaft verlieren würde. Darum gehe es nicht, sondern darum, weitere tote Soldaten und Zivilisten zu verhindern. Der Frage aus dem Publikum, ob er auch eine Strategie für den Abzug der Truppen habe, ging Willemsen aus dem Weg. Er sei nicht der entscheidende Akteur für politische Lösungen und habe diesen Einsatz nicht zu verantworten. „Ich möchte mir auch nicht von Kai Pflaume den Einsatz im Kosovo erklären lassen“, sagte Willemsen.
Wird Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt? Nach der Diskussion stimmte eine klare Mehrheit für Nein. Struck konnte die Zuschauer nicht überzeugen. Und weil er seine Niederlage erwartet habe, ergriff Stuck am Ende der Debatte noch einmal das Wort: Der Einsatz in Afghanistan sei eine sehr emotionale Frage. Er kenne die Stimmung in der deutschen Bevölkerung gegen diese Mission am Hindukusch. „Aber Politik darf sich nicht von Stimmungen leiten lassen“, sagte Struck. Er richtete sich dann noch an die Soldaten der Bundeswehr im Saal des Körber-Forums. „Wer von Ihnen war schon einmal in Afghanistan?“, fragte er. Sechs, sieben Finger gingen nach oben. „Liebe Zuschauer“, sagte Struck, „sprechen Sie nach der Diskussion mit diesen Soldaten. Lassen Sie sich erzählen, wie die Situation in Afghanistan wirklich ist.“