Bei einem Zuverdienst von 800 bis 1000 Euro bleiben in Zukunft bis zu 20 Euro mehr übrig. Wer weniger verdient, geht leer aus.
Berlin. Wer Hartz IV bekommt, darf derzeit von seinem Zuverdienst 100 Euro behalten. Was darüber liegt, wird zu 80 Prozent mit der staatlichen Unterstützung verrechnet. Eine Spitzenrunde der schwarz-gelben Regierungskoalition verständigte sich nun in der Nacht zum Freitag in Berlin auf neue Zuverdienstregeln.
Die Neuregelung kommt nur einer Mini-Reform gleich. Für Hartz-IV-Bezieher mit einem Monatseinkommen bis 800 Euro ändert sich nichts. Von jedem darüber hinaus hinzuverdienten Euro bis zu einer Grenze von 1000 Euro bleiben Hartz-IV-Beziehern künftig aber 20 statt bisher zehn Cent, das heißt von einem Zuverdienst zwischen 800 und 1000 Euro bleiben künftig bis zu 20 Euro mehr übrig als bislang.
Die Spitzenrunde mit den Generalsekretären von CDU, CSU und FDP sowie Vertretern des Kanzleramtes und des Finanzministeriums und Arbeitsministerin von der Leyen sehe diesen Vorschlag als „Einstieg in eine Reform der Erwerbstätigenfreibeträge“ für Hartz-IV-Bezieher, sagte von der Leyens Sprecher. In das Gesetz solle ein Prüfklausel aufgenommen werden, dass die Wirkung der geplanten Änderungen im Jahr 2012 überprüft werde und unter Umständen Korrekturen vorgenommen würden. Beschlossen werden soll die Neuregelung von einer Koalitionsrunde am 16. Oktober, sodass die Änderung rechtzeitig zum Kabinettsbeschluss über die Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze am 20. Oktober in den Gesetzentwurf eingebaut werden kann.
Derzeit gibt es fast 1,4 Millionen erwerbstätige Hartz-IV-Bezieher. Gut die Hälfte dieser Aufstocker – rund 740.000 – verdient weniger als 400 Euro im Monat. Ursprünglich wollte die Koalition vor allem geringe Zuverdienste stärker mit dem Arbeitslosengeld II verrechnen, um einen Anreiz für eine Ausweitung der Arbeit zu setzen. Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) hatte am Donnerstag aber die Vorgabe ausgegeben, dass der Grundfreibetrag von 100 Euro nicht wie ursprünglich geplant gekürzt werde. Angesichts der Debatte über eine Anhebung der Regelsätze um fünf Euro will die Koalition eine Schlechterstellung von Zuverdienern vermeiden.
Das Abendblatt zeigt, wie es andere Staaten mit den Arbeitslosen halten:
Ein Alleinstehender erhält in Großbritannien 332 Euro im Monat
Arbeitslose erhalten in Großbritannien durchschnittlich 38 Prozent des letzten Nettoeinkommens. Dieses Arbeitslosengeld bekommt aber nur, wer mindestens zwei Jahre in die National Insurance eingezahlt hat. Wenn die Betroffenen auch nach sechs Monaten sich nicht selbst finanzieren können, erhalten sie ein Arbeitslosengeld, das unabhängig vom letzten Gehalt ist. Dieses entspricht in etwa Hartz IV und ist zeitlich nicht begrenzt. Umgerechnet erhält ein Alleinstehender 332 Euro im Monat. Paare erhalten 530 Euro. Der Staat übernimmt das Geld für die Wohnung und zahlt Familien Kindergeld.
Betroffene in Dänemark erhalten monatlich 1300 Euro
Nur wer eine Aufenthaltsgenehmigung besitzt und mindestens sieben Jahre in Dänemark verbracht hat, darf Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Die Grundsicherung wird individuell berechnet. Einen einheitlichen Satz gibt es nicht. Antragsteller müssen sich aktiv um einen Job bemühen und sich regelmäßig fortbilden. Alle Arbeitslosen, die älter als 25 Jahre sind, erhalten etwa 1300 Euro pro Monat, bei Eltern erhöht sich der Betrag auf 1750 Euro pro Monat. Wohngeld wird zusätzlich vom Staat gezahlt, welches bis zu 520 Euro betragen darf. Das ist im Vergleich zu den deutschen Hartz-Sätzen zwar viel Geld. Allerdings wird die Sozialhilfe in Dänemark besteuert.
Familiensolidarität ersetzt in Italien weitgehend staatliche Hilfe
Eine Grundsicherung für Arbeitslose oder Sozialhilfe existiert in Italien nicht. Familiensolidarität ersetzt noch immer weitgehend staatliche Hilfe. Arbeitslosengeld erhält nur, wer in einem Betrieb mit mehr als 15 Mitarbeitern angestellt war. Sechs Monate lang erhalten Betroffene 60 Prozent des Gehalts. Nach einem halben Jahr sinkt die Arbeitslosenunterstützung schrittweise ab, auf ein Minimum von 40 Prozent. Eine Grundsicherung bekommen Menschen in Italien erst ab ihrem 65. Lebensjahr. Wer im Jahr weniger als 5350 Euro verdient hat, bekommt eine Sozialrente von 412 Euro.
Der Regelsatz für Alleinstehende beträgt in Frankreich 454,20 Euro
Die Höhe der Arbeitslosenhilfe misst sich in Frankreich an der Höhe des Lohnes. Wer sechs Monate angestellt war, erhält 40,4 Prozent bis 57,4 Prozent des letzten Gehalts. Das Minimum sind 26,93 Euro pro Tag. Alleinstehende bekommen 454,20 Euro pro Monat. Zusätzlich zahlt der Staat die Miete. Paare mit Kindern erhalten Familiengeld. Wer länger als 25 Jahre gearbeitet hat und älter als 57 Jahre ist, erhält sogar 42 Monate Hilfe. Die Versicherer können den Arbeitslosen die Bezüge kürzen, wenn diese sich weigern die Jobangebote des Arbeitsamtes anzunehmen. Wenn der Betroffene gering bezahlte Arbeit wieder aufnimmt, wird ein Prozentsatz weitergezahlt.