Der Verdienst pro Arzt steigt rechnerisch um 6700 Euro. Krankenkassen üben scharfe Kritik. “Versicherte sollen Kostenzuwachs allein schultern“.
Hamburg. Die niedergelassenen Ärzte in Deutschland erhalten im kommenden Jahr ein neues Rekordhonorar . Der Verdienst der 150.000 Mediziner steigt um eine Milliarde Euro, rein rechnerisch knapp 6700 Euro pro Arzt, auf fast 33 Milliarden Euro - trotz des Sparzwangs im Gesundheitswesen, der vor allem den Beitragszahlern Opfer abverlangt. Das ist das Ergebnis der Verhandlungen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Ausschlaggebend war das Votum des Schlichters, des unabhängigen Sachverständigen Jürgen Wasem. Bereits 2009 war das Honorar der Praxisärzte laut Kassen im Vergleich zum Vorjahr um 6,3 Prozent gestiegen.
Die Krankenkassen reagierten enttäuscht. "Versicherte sollen künftig die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen allein schultern", sagte der Vizechef des Branchenführers Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, dem Abendblatt. "Überall stehen die Zeichen auf Sparen. Einseitige Milliardenzuwächse für Ärzte passen da gar nicht ins Bild. Wir hätten uns hier mehr Zurückhaltung gewünscht."
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hatte Kassen und Ärzten detaillierte Vorgaben für die Honorarverhandlungen gemacht. Danach sollen die Vergütungen für die Kassenärzte zunächst einheitlich um 0,75 Prozent oder 180 Millionen Euro steigen. Zusätzlich soll es in einzelnen Bundesländern unterschiedlich große Zuschläge geben. Gestern ging es bei den Verhandlungen nur um diese regionale Verteilung. Vereinbart wurde, dass Mediziner im Süden und Südwesten wegen geringerer Zuwächse bei der letzten Honorarreform allein 500 Millionen Euro mehr erhalten sollen.
+++ Was Ärzte verdienen +++
"Das ist bedauernswert", sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dem Abendblatt. "Damit wandert das Geld schwerpunktmäßig nach Baden-Württemberg und nach Bayern und nicht in Regionen, wo die gleiche Arbeit bisher schlechter bezahlt wird - nämlich in Nordrhein-Westfalen und den neuen Bundesländern." Somit vergrößere sich der Einkommensabstand zwischen diesen Ländern erneut. Lauterbach kritisierte auch, dass es keinen besonderen Zuschlag für Hausärzte geben soll. "Das halte ich für falsch", sagte Lauterbach. "Wir brauchen dringend eine Angleichung der Honorare zwischen Hausärzten und Fachärzten." Die jetzige Verteilung werde die Einkommensunterschiede zwischen Hausärzten und Fachärzten eher vergrößern. Internisten etwa verdienen mehr als doppelt so viel wie Hausärzte.
Wie genau sich die beschlossene Steigerung auf die einzelnen Regionen verteilt, wollen die Kassen und die KBV am kommenden Montag entscheiden. Unklar ist auch noch, wie stark das Honorar für besondere Leistungen wie ambulantes Operieren oder Vorsorgeuntersuchungen steigen wird.
Das Gesundheitsministerium begrüßte, dass überhaupt eine Entscheidung gefallen sei. Die Selbstverwaltung habe damit ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt, sagte ein Sprecher. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, sagte, der Schlichterspruch spiegele das "maximal erreichbare Ergebnis". Die Kassen hatten eine Nullrunde für die Ärzte gefordert, die Ärzte zwei Milliarden Euro mehr. Köhler forderte eine weitere Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Bislang ist mit der Gesundheitsreform vorgesehen, dass das Plus wegen steigender Krankheitskosten nur 0,75 Prozent betragen soll.
+++ Kommentar: Gesundheit vor dem Kollaps +++