Trotz des Anstiegs ihres Honorars auf Rekordniveau kämpfen die Mediziner für noch mehr Geld
Berlin. Die Koalition reagierte erleichtert: Nach wochenlangem Streit beschloss ein Gremium aus Krankenkassen und Medizinern einen saftigen Aufschlag für Deutschlands rund 150 000 Kassenärzte. Schon in diesem Jahr steigt das Honorar der Mediziner auf rund 32 Milliarden Euro. Mindestens 32,7 Milliarden Euro werden es nach Rechnung der Ärzte 2011 - sogar auf mehr als 33 Milliarden rechnen die Kassen. Vor allem die Ärzte in Süddeutschland und im Rheinland sollen mit einem Aufschlag von möglichen neuen Protesten abgehalten werden.
Grün werden sich die Spitzenvertreter der Kassenärzte und der Krankenkassen wohl nicht mehr. Alleine fanden sie auch nach etlichen Verhandlungsrunden nicht zu einem Ergebnis. Der unabhängige Sachverständige Jürgen Wasem überstimmte an Seite des Chefs der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, die Kassenseite. Insofern war es kein Wunder, dass die Fetzen weiter flogen.
Der Vizechef des Kassenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, sagte: "Insgesamt können die Ärzte im kommenden Jahr mit über einer Milliarde Euro zusätzlichem Honorar rechnen." KBV-Sprecher Roland Stahl reagierte prompt: "Das stimmt nicht." Lediglich ein Plus von etwa 675 Millionen Euro sei nach jetzigem Stand wohl sicher. Weitere Steigerungen etwa für ambulantes Operieren seien überhaupt noch nicht zu beziffern. Tatsächlich will die Koalition hier einen Deckel einziehen.
Wie auch immer: Deutlich mehr wird es werden. Der Hauptgrund ist, dass allein die Ärzte im Südwesten, aber auch in Bayern und im Rheinland, 500 Millionen Euro mehr bekommen sollen, weil sie bei der jüngsten Honorarreform im Jahr 2009 nach Kassenangaben nur ein Honorarplus von 1,7 Prozent auf 5,1 Milliarden Euro erzielten. Den größten Zuwachs gab es mit 15,7 Prozent auf 3,1 Milliarden in Niedersachsen. Die Koalition hatte Ärzten und Kassen mit der Gesundheitsreform nun aufgegeben, mit einer "asymmetrischen regionalen Angleichung" die relative Schlechterstellung einzelner Länder zu vermeiden.
Manche Koalitionsvertreter machen aber kein Hehl daraus, dass das Plus in Süddeutschland auch politische Hintergründe hat. So ist die CDU in Baden-Württemberg bereits wegen des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 in Nöten. Die CSU kämpft mit harten Bandagen für das Wohl der bayerischen Ärzte.
Insgesamt erhalten nach Warnung der Verbraucherzentralen die Versicherten die Quittung. "Jetzt holen sich die Ärzte, was sie hätten einsparen sollen", sagt ihr Experte Stefan Etgeton. "Die Versicherten bleiben auf den Lasten sitzen." Wenn nun die Ausgaben auch für Arznei und Kliniken stärker ansteigen, drohten Kassenmitgliedern, anders als von FDP-Minister Philipp Rösler angekündigt, doch vermehrt Zusatzbeiträge. Ein niedrigerer Abschluss hätte das vermieden.
KBV-Chef Köhler rechnet anders. Er will von der Bundesregierung eine höhere Steigerungsrate als vorgesehen zum Ausgleich für die insgesamt wachsende Krankheitslast der Bevölkerung. Denn er möchte für alle Ärzte mehr: einheitliche Tarife auch in jenen Regionen, die nicht von der asymmetrischen Verteilung profitieren.