Finanzielle Anreize für Mediziner, die sich in der Provinz niederlassen. Was wird aus Ärztehochburgen wie Hamburg? Gesundheitskosten steigen.
Berlin/Hamburg. Der Landarzt hat Zukunft: Mit Zuschlägen und der Aussicht auf spätere Wechselmöglichkeiten sollen junge Ärzte verstärkt in ländliche Regionen gelockt werden – dorthin, wo der Ärztemangel schon Realität ist. Strittig ist in der schwarz-gelben Koalition nach Angaben aus Regierungskreisen noch, ob überzählige Arztpraxen in gut versorgten Ballungsgebieten im Gegenzug mit Beitragsgeldern aufgekauft werden sollen. Das würde Hamburg betreffen, wo die Ärztedichte hoch ist – zumindest in einigen Stadtteilen. Auf die Sonderkonferenz der Gesundheitsminister von Bund und Ländern soll an diesem Donnerstag die letzte Verhandlungsrunde der Koalitionspolitiker zum Versorgungsgesetz für Ärzte und Kliniken folgen. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) empfing seine Amtskollegen am Mittwoch in seinem Ministerium in Berlin.
Die Länder wollen mehr Rechte durchsetzen, für zusätzliche Ärzte in den von Medizinermangel betroffenen Regionen zu sorgen. Die baden-württembergische Sozialministerin Monika Stolz (CDU) zeigte sich optimistisch. „Ich bin zuversichtlich, dass auf die Belange der Länder Rücksicht genommen wird“, sagte Stolz der Nachrichtenagentur dpa. Bislang drängeln sich Ärzte in den Städten, während sie auf dem Land fehlen. Laut Beschlussvorlage für die Ministerkonferenz sollen Anreize für Ärzte durch Zuschläge in Mangelregionen gesetzt werden.
Wenn Krankenkassen und Ärzte sich nicht einigen können, Lücken in der Versorgung zu schließen, „kann das Land den Beschluss erlassen“, so das Papier für die Gesundheitsministerkonferenz. Bisher sind den Ländern bei der Ärzteplanung die Hände gebunden. Um die Studienplatzzahl in der Medizin zu erhöhen, soll sich der Bund befristet an den Kosten des Ausbaus von Studienplätzen beteiligen, so die GMK-Vorlage. In der Bundesregierung ist dies nach Angaben aus Regierungskreisen aber noch nicht Konsens.
In über fünfmonatigen, meist zähen Verhandlungen hatte sich der Bund gegen Länderforderungen nach weit mehr Einfluss gewehrt. Wegen fehlenden Nachwuchses auf dem Land könnten dort geschätzt künftig bis zu 20.000 Ärzte fehlen. Insgesamt bekommen die mehr als 140.000 niedergelassenen Ärzte in Deutschland 2011 ein Rekordhonorar von 32,5 Milliarden Euro. Der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen warnte bereits: „Mit dem geplanten Versorgungsgesetz muss es gelingen, die Überversorgung abzubauen, um ohne neue Belastungen der Beitragszahler die in den ländlichen Regionen drohende Unterversorgung in der hausärztlichen Versorgung abzuwenden. Da die durchschnittlichen Arzthonorare in den letzten Jahren von Rekordwert zu Rekordwert gestiegen sind, braucht es insgesamt nicht mehr Geld, sondern eine bessere Verteilung zwischen den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten.“
In den parallelen Verhandlungen der Koalitionsfraktionen mit Rösler ist dem Vernehmen nach unter anderem noch strittig, ob und wie viel Geld fließen soll an Ärzte, die in „überversorgten Gebieten“ ihre Praxis aufgeben. Man habe sich zu 85 Prozent geeinigt, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU). So sollen Ärzte dem Vernehmen nach die Garantie bekommen, dass sie einige Jahre nach einem Einsatz in der Provinz ihren Sitz wechseln können. Noch offen seien Fragen der Ärztehonorare, sagte Spahn.
Insgesamt geht das Rösler-Ressort von einem „geringen finanziellen Mehrbedarf“ durch das geplante Gesetz aus. So würden wohl nicht reihenweise neue Arztpraxen geschaffen, auch wenn die Länder hierauf nun mit mehr Befugnissen drängen könnten.
Die Ausgaben für Gesundheit in Deutschland sind derweil besonders stark gestiegen und haben einen neuen Rekord erreicht. 278,3 Milliarden Euro wurden 2009 insgesamt im Gesundheitswesen aufgewendet, das waren 5,2 Prozent mehr als im Jahr davor. Zwischen 2000 und 2008 waren die Ausgaben nur um 2,7 Prozent pro Jahr gewachsen. Als Gründe für den besonders deutlichen Anstieg im Jahr 2009 nannte das Statistische Bundesamt höhere Honorare für niedergelassene Ärzte und höhere Tariflöhne in den Krankenhäusern, aber auch gestiegene Ausgaben für Arzneimittel und Pflege. Zahlen für 2010 gibt es noch nicht.
Für jeden Einwohner wurden 2009 rein rechnerisch rund 3400 Euro ausgegeben – 180 Euro mehr als 2008. Die Gesundheitsausgaben machten 11,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus (plus 0,9 Punkte). Ursache des erhöhten Anteils am BIP ist nach Darstellung der Fachleute auch der Einbruch der Wirtschaftsleistung 2009. „Für das Jahr 2010 wird wieder ein Rückgang dieser Kennziffer erwartet.“ (dpa/abendblatt.de)