Arbeitsministerin von der Leyen räumte die Panne ein. Sie habe aber keine Auswirkungen auf die Berechnung. Zweifel der SPD werden stärker.
Berlin/Hamburg. Eine kleine Panne im Gesetzentwurf für die neuen Hartz-IV-Regelsätze sorgt für zusätzliche Irritationen . Das Bundesarbeitsministerium bestätigte am Mittwoch einen Zahlendreher. Die Regelsatzberechnung selbst habe dies aber nicht verfälscht. Die SPD dagegen sieht sich in ihren Zweifeln an dem Zahlenwerk bestätigt. „Der Gesetzentwurf bringt mehr Zahlenwirrwarr als Transparenz“, sagte SPD-Fraktionsvize Elke Ferner. „Offensichtlich hat sich die Koalition die Zahlen zurechtgerüttelt.“
Das Ministerium betonte hingegen, die Regelsatz-Ermittlung sei trotz des Zahlendrehers korrekt. Die Fraktionschefin der Bundestags- Grünen, Renate Künast, hielt von der Leyen auf „Spiegel online“ vor, sie habe sich „im eigenen Zahlengestrüpp verheddert“. SPD, Linke und Grüne zeigten sich darüber empört, dass ihnen die Bundesregierung die Daten zur Berechnung der neuen Grundsicherung für Langzeitarbeitslose vorenthält. „Die Koalition fährt Schlitten mit dem Gesetzgeber. Das ist nicht hinnehmbar“, sagte die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katja Kipping, im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales. Nun komme „zur Trickserei (...) auch noch Vertuschung“ hinzu. Sie erwäge, die Vorlage der Daten per Klage zu erzwingen.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wies die Kritik zurück. Alles sei klar und transparent nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes. In einer von der Koalition beantragten Aktuellen Stunde rechtfertigte die Ministerin die Herausnahme von Alkohol und Tabak aus der Berechnung. Die Entscheidung über die Höhe des Regelsatzes müsse man nicht nur den Betroffenen erklären können, sondern auch denen, die mit ihrer Arbeit das Geld dafür aufbringen „und ebenfalls jeden Cent umdrehen müssen“.
Für die FDP sagte deren Arbeitsmarktpolitiker Heinrich Kolb, Hartz IV sei nur „als Hilfe auf Zeit“ gedacht. Wichtig sei, dass die Menschen schnell wieder in Arbeit kämen. Oppositionspolitiker warfen dagegen der Regierung vor, gerade bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu kürzen. Die FDP-Bundestagsfraktion sieht bei der Neuregelung von Hartz IV kaum Kompromissmöglichkeiten. Sollte die Opposition im Bundesrat die Umsetzung verhindern, müssten die von der Regierung berechneten neuen Hartz-IV-Sätze und die Hilfen für bedürftige Kinder zum Teil ohne abgeschlossenes Gesetzesverfahren zum 1. Januar 2011 in Kraft treten, sagten FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger und ihr Vize Heinrich Kolb.
Das Bundesverfassungsgericht hatte verlangt, dass es bis zum Jahresende ein transparentes Verfahren zur Berechnung der Hilfen für Langzeitarbeitslose und für ihre Kinder geben muss. Für die Neuregelung wurde eine Frist bis Jahresende gesetzt. Noch ist offen, ob die SPD im Bundesrat eine Anrufung des Vermittlungsausschusses und einen einheitlichen Vermittlungsauftrag durchsetzen kann. Ebenso wie Schwarz-Gelb hat auch die SPD keine Mehrheit in der Ländervertretung und muss dort Verbündete suchen. Die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um fünf auf 364 Euro, knapp 620 Millionen pro Jahr für Bildungsangebote und ein Mittagsessen in den Schulen für Hartz-IV-Kinder sowie neue Hinzuverdienstregeln sollen vom Kabinett am 20. Oktober verabschiedet werden. Die abschließende Beratung im Bundesrat ist für 17. Dezember vorgesehen. Viel Zeit für ein Vermittlungsverfahren bleibt deshalb nicht.
Das Tauziehen um die Neuberechnung der Regelsätze will die SPD im Bundesrat mit der Forderung nach Mindestlöhnen verknüpfen. „Die Bundesregierung deckelt den Hartz-IV-Regelsatz wegen des Lohnabstandsgebotes“, kritisierte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Er kritisierte auch das Bildungspaket. Mit den vorgesehenen zehn Euro pro Monat würden die Bildungschancen der Kinder aus Hartz-IV-Familien nicht wesentlich verbessert.
Der geschäftsführende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß deutete die Bereitschaft zur Verständigung an. „Wenn das Thema im Vermittlungsausschuss landen sollte, sind alle zu einem Kompromiss verpflichtet“, sagte er der Tageszeitung „Die Welt“ (Mittwoch). Poß nannte für die Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes keine Zahlen, fügte aber hinzu, er müsse „fair und hoch genug bemessen sein“.