Übernimmt Klaus von Dohnanyi die Verteidigung? Hamburger Bündnis von Juden, Muslimen und Christen warnt vor Sarrazins Thesen.
Berlin/Hamburg. Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin hat offen gelassen, ob er sich bei seinem Ausschlussverfahren vor der SPD-Schiedskommission vom ehemaligen Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) verteidigen lassen will. „Da rede ich erst mal mit Herrn von Dohnanyi“, sagte Sarrazin am Rande einer Podiumsdiskussion in Berlin.
Dohnanyi hatte ein entsprechendes Angebot in der „Süddeutschen Zeitung“ gemacht. Sarrazin würde wegen seines umstrittenen Buchs „aus keiner anderen europäischen Linkspartei ausgeschlossen“, zeigte sich Dohnanyi überzeugt. Der SPD-Vorstand will nächste Woche das Verfahren gegen Sarrazin offiziell einleiten.
Zu seiner von der Bundesbank beantragten Entlassung oder dem SPD-Ausschlussverfahren äußerte Sarrazin sich trotz Fragen zahlreicher Journalisten nicht weiter. In der Diskussion des „Behörden Spiegel“ verteidigte er aber erneut die Hauptthese seines Buches, dass muslimische Einwanderergruppen häufig weniger integrationsbereit seien. „70 Prozent der Migranten sind bestens integriert in der zweiten Generation. 30 Prozent haben enorme Probleme und das sind die Migranten aus den muslimischen Ländern.“
Sarrazin, der während der Debatte auch Zwischenapplaus erhielt, wurde beim Verlassen des Gebäudes in der Friedrichstraße beschimpft. Während er begleitet von mehreren Leibwächtern zu seinem Auto ging, rief ein junger Mann aus einem an der Ampel wartenden Wagen: „Sarrazin, du Nazischwein.“
Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat Sarrazin vorgeworfen, in der Integrationsdebatte, „vulgär sozialdarwinistische Ansichten“ zu bedienen. „Es geht meines Erachtens überhaupt nicht, Erkenntnisse aus der Genetik einfach ins Soziale zu übersetzen“, sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland dem Hamburger Abendblatt: „Da ist eine rote Linie überschritten, und dagegen müssen wir uns mit aller Macht verwahren.“
Schneider forderte, an der Integrationspolitik beharrlich festzuhalten. „Natürlich ist der Prozess der Integration vielerorts sehr schwierig, da gibt es nichts schönzureden, aber es gibt doch gar keine andere Alternative, als ihn beharrlich weiterzuführen“, sagte er. Pauschalierungen à la Sarrazin würden da nicht weiterhelfen, so Schneider. Ihn ärgere, „dass unbestreitbare Erfolge in Sachen Integration gerne verschwiegen werden“.
Das „Interreligiöse Forum Hamburg“ hat derweil die umstrittenen Thesen Sarrazins als „sehr bedenklich“ kritisiert. Sie legten die Meinung nahe, das Wohl einer Gesellschaft und eines Landes könne durch Ausgrenzung bestimmter Gruppen befördert werden, heißt es in einer Erklärung. Einer solchen Geisteshaltung mit den daraus möglichen Konsequenzen einer gesellschaftlichen Spaltung widerspreche das Forum auf das Entschiedenste.
Das „Interreligiöse Forum Hamburg“ war im November 2000 als regelmäßige Zusammenkunft aller Religionsgemeinschaften Hamburgs gegründet worden. Ihm gehören evangelische, katholische, muslimische, jüdische, buddhistische, hinduistische, alevitische und Mitglieder der Bahá i Gemeinden in Hamburg an. Die Erklärung trägt die Unterschriften aller Mitglieder. Zu den Unterzeichnern gehören neben Propst Jürgen F. Bollmann als Stellvertreter der Bischöfin auch der katholische Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, Abu Ahmed Jakobi vom Vorstand der muslimischen „Schura“ und Samuel Jossifoff von der Jüdischen Gemeinde Hamburg.
Das Forum verwahrte sich gegen jeden Versuch einer pauschalen Herabsetzung einer bestimmten Bevölkerungs- oder Religionsgruppe. Alle Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft müssten sich verstärkt dafür einzusetzen, „dass auch in Zukunft die Menschen in diesem Land friedlich miteinander leben können – unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen oder religiösen Herkunft und Zugehörigkeit“, hieß es.