Die schwarz-gelbe Koalition streitet darüber , wie viel der Staat an den Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke verdienen soll.
Hamburg. Die Steuereinnahmen aus der Atomkraft drohen zum nächsten Zankapfel der Koalition zu werden. In der Frage, wie sehr der Staat von der geplanten Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken profitieren soll, gehen die Vorstellungen von CSU-Chef Horst Seehofer und die von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) weit auseinander.
Der bayerische Ministerpräsident Seehofer ist strikt dagegen, im Falle einer Laufzeitverlängerung die Gewinne der Atomwirtschaft zusätzlich abzuschöpfen. Es sei vereinbart, eine Brennelementesteuer einzuführen, die dem Bund mehr als zwei Milliarden Euro im Jahr einbringen solle, sagte Seehofer der "Bild"-Zeitung. Diese Steuer könne aber nur kommen, wenn auch die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängert würden. "Eine weitergehende Gewinnabschöpfung lehne ich ab. Wir sollten nicht jede Woche eine neue Olympiade über zusätzliche oder neue Abgaben veranstalten", sagte Seehofer.
Er reagierte damit auf Äußerungen des Wirtschaftsministers am Wochenende. Brüderle hatte angekündigt, die Energiekonzerne für eine Laufzeitverlängerung zur Kasse zu bitten und mindestens 50 Prozent der dann entstehenden Zusatzgewinne abzuschöpfen. Mit dem Geld würden Speichertechnologien, neue Leitungssysteme und Elektromobilität gefördert. Union und FDP haben sich grundsätzlich auf eine Verlängerung der Laufzeiten für die 17 deutschen Atommeiler verständigt. Noch unklar ist die jeweilige Dauer. Auch hier gehen die Forderungen auseinander. Während Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) eine "sehr überschaubare Zahl von Jahren" für akzeptabel hält, geht Brüderle von 15 bis 20 Jahren aus.
Aus dem Bundesumweltministerium war gestern allein zu hören, dass über die Frage der Gewinnabschöpfung erst im Zusammenhang mit dem Energiekonzept entschieden wird, das Ende September im Bundeskabinett besprochen wird. Auch die CDU-Fraktion hielt sich mit einer Positionierung zurück. Offen wollen die CDU-Parlamentarier erst in einer Klausurtagung Anfang September das Thema angehen. Anhand der dann vorliegenden verschiedenen Rechenmodelle für eine Laufzeitverlängerung wird die Fraktion zu dem Zeitpunkt Stellung zur Frage der Gewinnabschöpfung nehmen.
Baden-Württembergs CDU-Fraktionschef Peter Hauk dagegen griff den CSU-Chef frontal an. Er betonte, dass Seehofers Vorstoß gegen eine zusätzliche Gewinnabschöpfung der Atomkonzerne deutlich dem Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung widerspreche. Hauk hielt daran fest, dass die Stromkonzerne mindestens die Hälfte der zusätzlichen Gewinne abgeben sollen. Mit diesen staatlichen Einnahmen sollen die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Die Brennelementesteuer allein würde deutlich weniger Geld erbringen, so der Minister.
Die Brennelementesteuer für die Atomindustrie ist Teil des Haushalts-Sparpakets, das die Regierung beschlossen hat. Mit der Steuer sollen von 2011 bis 2014 jährlich 2,3 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen gespült werden. Für jedes Gramm Uran oder Plutonium, das zur Stromerzeugung eingesetzt wird, würden laut ersten Berechnungen der Bundesregierung 220 Euro fällig.
Kritik an diesem Steuervorhaben regte sich beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf sagte dem Abendblatt: "Die Brennelementesteuer entzieht den Unternehmen Mittel, die nötig sind, um in erneuerbare Energien zu investieren." Schnappaufs Vorschlag: "Stattdessen sollte das Energiekonzept der Bundesregierung eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke mit einer Fondslösung verbinden, um so zusätzliche Investitionen in erneuerbare Energien und die Energieforschung zu ermöglichen."
Insgesamt, so der BDI-Hauptgeschäftsführer, müsse das Konzept eine wettbewerbsfähige Energieversorgung sowie Planungs- und Investitionssicherheit garantieren. Schnappauf warnte: "Höhere Steuern gefährden die Industrien, die den Aufschwung tragen sollen. Noch ist der Aufschwung nicht selbsttragend. Neue Steuern lehnen wir daher strikt ab."