Während Merkel und von Beust Gelassenheit demonstrieren, warnen Unionspolitiker vor Bündnissen mit den Grünen.
Hamburg. Angela Merkel weiß, wie man Signale setzt. Und sie weiß, wie man es deuten darf, wenn man als Bundeskanzlerin an Tag eins nach dem Rückzug eines schwarz-grünen Bürgermeisters in einem knallgrünen Jackett auftritt: etwa, dass alles noch im grünen Bereich ist oder dass es mit Grünen natürlich noch eine Zukunft gibt.
Als sich Merkel also in Grün und Ole von Beust in Schwarz gestern Mittag bei ihrem vielleicht letzten gemeinsamen Auftritt in der Berliner CDU-Zentrale zeigten, schien es ihnen vor allem um eines zu gehen: Schadensbegrenzung. Die Parteivorsitzende und ihr sechster scheidender Regierungschef innerhalb von knapp zwölf Monaten mühten sich gemeinsam, den Eindruck eines Erosionsprozesses an der Parteispitze zu entkräften und die angeknackste schwarz-grüne Perspektive rhetorisch über den Tag hinaus zu retten. "Ich glaube, jeder ist in einem Land ersetzbar, in Berlin ist auch jeder ersetzbar, jeder Mensch ist ersetzbar", führte Beust aus.
Doch ganz so leicht, wie Beust suggerierte, ist er aus Merkels Sicht vielleicht doch nicht zu ersetzen. Der Name seines designierten Nachfolgers Christoph Ahlhaus fiel ihr gestern spontan gar nicht ein. Und im Bund galt Beust bis dato als Merkels "lebender Beweis" dafür, dass Schwarz-Grün funktioniert und Erfolg hat, möglicherweise sogar ein Ausweg aus dem Dauerstreitbündnis mit den Liberalen sein kann. Merkel wies deshalb darauf hin, dass Beust "über viele Jahre" gezeigt habe, dass die CDU auch in großen Städten mehrheitsfähig ist". Beust antwortete, er habe in Hamburg eine persönliche Entscheidung getroffen, die mit der Berliner Politik nichts zu tun habe. Und: "Ich habe meine Pflicht getan, neun Jahre lang." Und er nickte kräftig, als die Kanzlerin zögerlich sagte: "Ich glaube, ich darf sagen, dass wir freundschaftlich zusammengearbeitet haben."
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Anders als Merkel fiel es Unionsfraktionschef Volker Kauder nicht so leicht, einfach nur Bedauern auszudrücken. Der CDU-Politiker zeigte offen in der "Tagesschau", dass er angesäuert ist: "Ich gehöre zu denjenigen, die sagen: Wenn ich eine Aufgabe übertragen bekommen habe und sie übernommen habe, dann muss ich sie auch zu Ende führen." Schwarz-Grün in Hamburg habe nach dem Volksentscheid zwar "eine Schlappe einstecken müssen", sei jedoch noch nicht beendet. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion und Merkel-Vertraute Peter Altmaier sagte ebenfalls, Beusts Ausstieg würde schwarz-grüne Koalitionen andernorts nicht erschweren.
All diese Beteuerungen konnten allerdings nicht verhindern, dass bereits gestern Zweifel an der Zukunftstauglichkeit von Schwarz-Grün vorgebracht wurden, und zwar massive. So sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich dem Abendblatt: "Es ist ein Irrtum zu glauben, dass es eine natürliche Nähe zwischen Union und Grünen gibt - trotz ihrer gemeinsamen bürgerlichen Wurzeln. Tatsächlich ist die Schnittmenge zwischen Schwarz-Grün viel geringer, als viele glauben machen wollen." Hamburg zeige, wie groß die Gefahr für die Union sei, ihr Profil in einer Koalition mit den Grünen zu verlieren. In der Hansestadt habe "grüne schulpolitische Ideologie dazu geführt, dass sich wichtige, bürgerliche Wählergruppen von der CDU abgewendet haben". Eine solche Entwicklung müsse auf Bundesebene vermieden werden. Auch der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, verlangte nun schlicht "mehr Realismus". Für Schwarz-Grün gebe es auf Bundesebene "kein ausreichendes Maß an Gemeinsamkeiten", sagte er dem "Kölner Stadtanzeiger".
Und auch bei den Grünen selbst wachsen die Zweifel. Die stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende Krista Sager, die den Koalitionsvertrag in der Hansestadt mit ausgehandelt hatte, sagte dem Abendblatt: "Die Chancen auf Schwarz-Grün im Bund haben sich stark verschlechtert. Nicht nur wegen Ole von Beusts Rücktritt, sondern insbesondere aufgrund des Ergebnisses des Volksentscheids." Sie betonte: "In der CDU wird jetzt die Sorge wachsen, dass die eigenen Wähler eine Ausrichtung ihrer Partei auf die inhaltliche Mitte nicht wollen. Der innerparteiliche Richtungsstreit gewinnt an Dynamik."
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