Die Forderung des Außenministers Westerwelle, die Wehrpflicht möglichst schnell abzuschaffen, stößt auf Kritik aus der Union.
Hamburg. Mit seiner Forderung, die Bundeswehr möglichst schnell in eine Freiwilligenarmee zu verwandeln, hat Außenminister Guido Westerwelle neuen Streit in der Regierungskoalition ausgelöst. Führende Unionspolitiker warnten den FDP-Vorsitzenden davor, sich zu früh festzulegen. Unterstützung für Westerwelle kam von den Grünen.
"Die Frage der Wehrpflicht kann nur im Rahmen einer Strukturreform erörtert werden und nicht isoliert davon", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt dem Hamburger Abendblatt. "Da gibt es eine klare Verabredung in der Koalition, dass wir die Diskussion nicht durch Vorfestlegungen in die eine oder andere Richtung beginnen, auch was das Thema Wehrpflicht betrifft." Man werde in den kommenden Monaten sehr sorgfältig und intensiv auch in unserer Partei diskutieren, "ergebnisoffen und ohne Vorfestlegungen". Ähnlich äußerte sich CSU-Chef Horst Seehofer.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe mahnte Westerwelle zur Zurückhaltung. "CDU und CSU haben sich immer aus guten Gründen zum Grundsatz der Wehrpflicht bekannt", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Mögliche Änderungen in der Grundstruktur der Bundeswehr müssten deshalb zunächst intensiv innerhalb der Unionsparteien diskutiert werden. "Hier darf nichts übers Knie gebrochen werden."
Westerwelle hatte in einem gestern veröffentlichten Abendblatt-Interview gesagt, er halte ein Ende der Wehrpflicht in dieser Wahlperiode, die bis 2013 dauert, für möglich. "Es wäre die richtige Entscheidung, die Dienstpflicht so bald wie möglich auszusetzen." Dabei gehe es ihm nicht vordringlich um Einsparungen, sondern um Wehrgerechtigkeit. "Es kann nicht sein, dass nur noch 16 Prozent eines Jahrgangs ihren Wehrdienst ableisten, während viele andere zur selben Zeit ihre beruflichen Chancen verbessern können", betonte der Außenminister. "Das berührt den Gleichheitsgrundsatz in unserer Verfassung."
Das Bundeskabinett hatte Anfang Juni auf seiner Klausurtagung beschlossen, bis 2014 im Verteidigungshaushalt 8,3 Milliarden Euro einzusparen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) lässt bis zum September mehrere Modelle erarbeiten, mit denen die Vorgaben umgesetzt werden können. Bis zu 40000 Stellen von Berufs- und Zeitsoldaten sollen gekürzt werden. Auch die Aussetzung der Wehrpflicht ist im Gespräch. Seit dem 1. Juli müssen Wehrpflichtige nur noch ein halbes Jahr zur Bundeswehr. Auch der Zivildienst dauert nur noch sechs statt neun Monate.
Der Parteivorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, sagte dem Abendblatt: "Guido Westerwelle hat in der Sache recht. Die Abschaffung der Wehrpflicht ist überfällig." Allerdings seien "wohlfeile Lippenbekenntnisse zu wenig, da zählt die Tat, auf die wir immer noch warten". Neben der Abschaffung der Wehrpflicht und einer gut ausgebildeten Berufsarmee forderte Özdemir einen Ausbau von "sozialen Freiwilligendiensten mit staatlicher Unterstützung". Die Verkürzung der Dienstzeit auf sechs Monate nannte Özdemir "unsinnigen Murks".
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) bekannte sich grundsätzlich zur Wehrpflicht. Für den Fall, dass sie abgeschafft wird, forderte er Anreize für freiwillige Dienste. "Je länger man sich verpflichtet, umso mehr Fortbildungen sollte es geben, Spezialisierungen, die man auch im Beruf gebrauchen kann", sagte Beck der Nachrichtenagentur dpa. Als Beispiel nannte er im Zivildienstbereich eine Weiterbildung vom Helfer zum Rettungssanitäter. Nach Becks Vorstellung sollen Vereinbarungen mit den Arbeitgebern getroffen werden, um solche Bewerber bei gleicher Qualifizierung bevorzugt einzustellen.
Beck schlug vor, jungen Frauen und Männern einen freiwilligen Wehr- oder Zivildienst zwischen neun und 24 Monaten anzubieten, sobald die Wehrpflicht nicht mehr gewollt sei. Als Anreiz sollten der Wehrsold beziehungsweise die Vergütung für den Zivildienst verbessert oder auch die Dienstzeiten auf Wartezeiten beim Studium angerechnet werden.