Im Fokus der Staatsanwaltschaft: Die Beziehungen des früheren Ministerpräsidenten Wulff zum Unternehmer David Groenewold.
Hannover/Berlin. Kreditaffäre, Urlaubsaffäre, Medienaffäre, Nord-Süd-Dialog-Affäre - seit Mitte Dezember werden immer neue Vorwürfe gegen Christian Wulff bekannt. Bis gestern Abend sah die Staatsanwaltschaft keinen Anlass, ein Ermittlungsverfahren gegen den Bundespräsidenten einzuleiten. Doch die Verbindungen zwischen Wulff und dem Filmunternehmer David Groenewold wollen die Ermittler nun genauer untersuchen und haben die Aufhebung von Wulffs Immunität beantragt. Ein Überblick über die Vorwürfe gegen das Staatsoberhaupt:
Der Fall Groenewold Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff und David Groenewold lernten sich 2003 in Goslar (Harz) kennen. Der Unternehmer war dort bei den Dreharbeiten zum Film "Das Wunder von Lengede" engagiert. In der Folge - so berichten Wulffs ehemalige Weggefährten aus Hannover - freundeten sich die beiden unterschiedlichen Männer an. Ende 2006 erhielt eine Firma Groenewolds eine - laut Medienberichten bis Januar 2009 gültige - Landesbürgschaft über vier Millionen Euro. Die Finanzgarantie des Landes wurde allerdings nie in Anspruch genommen. So weit kein ungewöhnlicher Vorgang, sagen auch die Kritiker Wulffs.
+++ Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft im Wortlaut +++
+++ Aufhebung von Wulffs Immunität: Bundestag muss entscheiden +++
Problematisch könnte jedoch nach Einschätzung von Juristen sein, dass Groenewold und Wulff im Oktober 2007 zu einem Kurzurlaub nach Sylt reisten und der Unternehmer die Hotelrechnung von 258 Euro pro Nacht mit seiner Kreditkarte beglich. Wulffs Anwälte erklärten, ihr Mandant habe die Kosten für drei Nächte im Hotel dann an Groenewold bar bezahlt. Doch der kurze Zeitraum von nur wenigen Monaten zwischen den beruflichen Kontakten bei der Gewährung der Bürgschaft und dem privaten Vergnügen mit Groenewold könnte den Verdacht der Vorteilsnahme durch Wulff nahelegen, argumentieren Juristen.
Zudem soll Groenewold im Jahr 2008 beim Münchner Oktoberfest in einem Hotel ein 400-Euro-Upgrade für ein Hotelzimmer für das Ehepaar Wulff bezahlt haben, angeblich ohne dessen Wissen. Nach Bekanntwerden des Falls erstattete Wulff den Betrag.
+++ Nach Kreditaffäre: Wulff ist unbeliebter als Westerwelle +++
Nord-Süd-Dialog Wulffs früherer Sprecher Olaf Glaeseker wird von der Justiz verdächtigt, von dem Eventmanager Manfred Schmidt mit kostenlosen Urlauben bestochen worden zu sein. Es geht vor allem um die Lobbyveranstaltung "Nord-Süd-Dialog", an der Schmidt kräftig verdient haben soll. 2009 hatte die Landesregierung die Party mit dem Einsatz von Studenten unterstützt, was sie aber lange bestritt. Wulff habe davon nichts gewusst, sagt sein Anwalt Gernot Lehr. Die niedersächsische SPD will nächste Woche eine Verfassungsklage gegen Wulff wegen Täuschung des Parlaments und Verletzung der Auskunftspflicht einreichen.
+++ Zeitpunkt verpasst +++
Privatkredit Der Niedersächsische Landtag befasst sich seit Wochen mit der Frage, ob Wulff gegen das Ministergesetz verstoßen hat, als er im Jahr 2008 als Ministerpräsident ein Darlehen bei der befreundeten Unternehmergattin Edith Geerkens aufnahm. Mit den 500 000 Euro finanzierte Wulff den Kauf seines Hauses in Burgwedel bei Hannover. Im Landtag in Hannover verneinte der Ministerpräsident auf eine Anfrage der Grünen später Geschäftsbeziehungen zu Egon Geerkens.
Die Opposition sieht in dem Darlehen einen Verstoß gegen das Ministergesetz und das Verbot für Regierungsmitglieder, Geschenke in Bezug auf ihr Amt anzunehmen. Doch selbst wenn so ein Verstoß festgestellt würde - strafrechtliche Konsequenzen hätte das nicht unbedingt.
Geldmarktdarlehen Um den Kredit bei Edith Geerkens abzulösen, nahm Wulff im März 2010 ein Geldmarktdarlehen bei der BW-Bank auf - zu günstigen Zinsen zwischen 0,9 und 2,1 Prozent. Im Dezember 2011 - nach dem Bekanntwerden der ersten Vorwürfe wegen des Geerkens-Kredits - wandelte der Bundespräsident den Geldmarktkredit in ein langfristiges Hypothekendarlehen mit festem Zinssatz um. Gegen die BW-Bank gingen mehrere Anzeigen ein, wegen des Verdachts auf Untreue, Vorteilsannahme oder Vorteilsgewährung. Die Staatsanwaltschaft sah aber keinen Anlass für Ermittlungen.
Anruf bei "Bild" Der Anruf des Bundespräsidenten beim Chefredakteur der "Bild"-Zeitung Kai Diekmann blieb ebenfalls ohne juristische Folgen. Wulff hatte am 12. Dezember 2011 versucht, Diekmann auf dem Mobiltelefon zu erreichen, um gegen die geplante Berichterstattung des Blattes über seinen Hauskredit zu protestieren. Als das misslang, sprach er dem Chefredakteur auf die Mailbox. Dabei soll Wulff den "endgültigen Bruch" und "Krieg" angedroht haben. Die Berliner Staatsanwaltschaft sah keinen Anfangsverdacht für eine versuchte Nötigung oder ein anderes strafbares Verhalten.
Urlaubsreisen Im Dezember 2001 ließ Wulff eine Liste von sechs privaten Urlaubsreisen veröffentlichen, bei denen er zwischen 2003 und 2010 Gast bei befreundeten Unternehmern war - zumeist kostenlos. Die Opposition in Hannover will wissen, ob die Liste vollständig ist. Wulffs Anwalt sagt, dem sei so.
Weitere Einladungen 2010 hat sich Wulff einen Ausflug zum Filmball in München samt Übernachtung vom Marmeladen-Hersteller Zentis finanzieren lassen. Wenige Wochen zuvor war er als Redner bei einer Konferenz des Unternehmens aufgetreten. Wulffs Anwalt bestätigte beides. Vorschriften des Ministergesetzes seien dabei aber gewahrt worden, sagte der Anwalt.