Der Besuch der Heiligen Drei Könige im Schloss Bellevue war eine willkommene Abwechslung für den Bundespräsidenten. Doch auch am Freitag wurden Debatten um das Ehepaar Wulff angeschoben: BW-Bank-Kredit, VW-Streit und Designerkleidung.
Berlin/Hamburg. Bundespräsident Christian Wulff (CDU) will mit Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel die Kredit- und Medienaffäre hinter sich lassen, doch die Diskussion über seinen Anruf bei "Bild“ geht weiter. Auch zur Darstellung der Modalitäten des Hauskredits gibt es nach wie vor unterschiedliche Varianten. Am Freitag versuchte Wulff zum normalen Amtsalltag zurückzufinden - im Schloss Bellevue begrüßte er 50 Sternsinger zum Dreikönigsempfang.
Wulffs Anwalt sieht keinen Widerspruch zwischen den Angaben seines Mandanten und der BW Bank zum Zeitpunkt des geschlossenen Kreditvertrages. Rechtsanwalt Gernot Lehr teilte am Freitag mit, der Bundespräsident habe nicht die spätere Verschriftlichung der Einigung vom 25. November in Abrede gestellt. Er habe lediglich darauf hingewiesen, dass er und die BW Bank sich bereits am 25. November geeinigt hätten und gebunden fühlten. Dies habe die BW Bank auch bestätigt.
Zu Fragen nach der Kreditabsicherung durch zwei Immobilien und der Gesamtbelastung von 60 Prozent stellte Lehr fest, der Bundespräsident habe im Fernsehinterview am Mittwoch lediglich im Zusammenhang mit der Prüfung der Bonität der Eheleute Wulff als Voraussetzung für den Kredit der BW Bank von zwei unbelasteten Immobilien gesprochen.
Als Sicherheit für den Kredit der BW Bank habe die Abtretung der Eigentümergrundschuld auf dem Grundstück in Burgwedel gedient. Darüber hinaus hafte Wulff mit seinem gesamten persönlichen Vermögen einschließlich der in seinem Eigentum stehenden zweiten und unbelasteten Immobilie. Bei dieser zweiten Immobilie handele es sich um ein Tankstellengrundstück in Westerkappeln, teilte Lehr mit.
Die BW-Bank hatte nach Angaben der Tageszeitung "Die Welt“ der Aussage Wulffs widersprochen, ein Vertrag für ein langfristiges Darlehen zur Finanzierung seines Hauses sei schon Ende November zustande gekommen. Damals habe man sich mündlich geeinigt, das reiche aber nicht aus, zitierte die Zeitung (Freitag) aus einer Antwort der Bank auf ihre Anfrage. "Ein Kreditvertrag mit Verbrauchern bedarf der Schriftform.“ Diesen habe die Bank Wulff am 12. Dezember geschickt, unterschrieben habe er am 21. Dezember.
Wulff hatte erklärt, der Vertrag sei im November unter Dach und Fach gebracht worden: "Denn wenn Sie am 25. November sich geeinigt haben und die Bank das eingebucht hat, sich dafür abgesichert hat, dann ist der Vertrag geschlossen.“
Merkel stellt sich via Seibert hinter Wulff
Regierungssprecher Steffen Seibert versicherte: "Die Bundeskanzlerin hat große Wertschätzung für Christian Wulff“ - als Mensch und als Bundespräsident. Die Erklärungen Wulffs im Fernsehinterview seien ein wichtiger Schritt gewesen, das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen. Wulffs Entschuldigung sollte respektiert werden. Merkel habe volles Vertrauen, dass Wulff auch weitere Fragen beantworten werde, falls solche auftauchten.
Seibert betonte: "Das Amt des Bundespräsidenten ist eines, das man mit großer Achtung behandeln muss - und zwar von außen wie von innen.“ In der Mischung aus Transparenz und seiner täglichen Arbeit könne Wulff Vertrauen zurückgewinnen. Der Regierungssprecher fügte hinzu: "Es wird so sein - und da hat die Bundeskanzlerin volles Vertrauen - , dass der Bundespräsident auch alle weiteren relevanten Fragen mit der gleichen Offenheit beantworten wird, sollten noch welche auftauchen.“ Es gebe aber keinen Moment, in dem festgestellt werden könne, nun sei ein Thema vorbei.
Wulff weicht bei Sternsinger-Empfang aus
Wulff äußerte sich beim Empfang der Sternsinger aus dem Bistum Essen nur indirekt zu der Affäre. "Die letzten Wochen waren so, dass man sich das nicht noch einmal zumuten muss, dass ich mich freue, dass das Jahr 2012 losgeht und ich mich meinen eigentlichen Aufgaben zuwenden kann.“ Es war der erste offizielle öffentliche Termin des Staatsoberhaupts im neuen Jahr, und er wurde von einem ungewöhnlich großen Medieninteresse begleitet.
Die Kontroverse zwischen Wulff und der "Bild“-Zeitung will Merkel nicht kommentieren. Die Entscheidung, ob ein Anruf Wulffs auf der Mobilbox von "Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann veröffentlicht werden solle, liege "ausschließlich zwischen der 'Bild'-Zeitung und dem Bundespräsidenten“, sagte der Regierungssprecher. Die Mitteilung Wulffs, dies nicht zu tun, sei zu respektieren. Die Kanzlerin kenne keine Abschrift des Wulff-Anrufs.
Die 'Bild'-Zeitung übermittelte Wulff eine Abschrift des Wortlauts. Dies sei geschehen, damit sich Wulff "bei Aussagen darüber nicht nur auf seine Erinnerung stützen muss“, teilte der Springer-Verlag am Freitag mit. Mit dem Telefonat hatte der Bundespräsident Einfluss auf eine geplante Berichterstattung der Zeitung über seinen privaten Hauskredit nehmen wollen.
Wulff punktet mit Fernsehinterview
Mit seinem Fernsehauftritt bei ARD und ZDF hat der Präsident laut einer Umfrage viele Bürger nicht überzeugt - eine Mehrheit will ihm aber eine zweite Chance geben. In einem "ARD-Deutschlandtrend extra“ fanden 61 Prozent derjenigen, die das Interview gesehen hatten, Wulff eher nicht überzeugend - 30 Prozent sahen ihn positiver. Aber 60 Prozent meinten, Wulff habe "jetzt eine zweite Chance verdient“, 36 Prozent sahen dies anders. 56 Prozent sprachen sich dafür aus, dass Wulff im Amt bleibt - neun Punkte mehr als vor dem Interview.
Auch eine Forsa-Umfrage im Auftrag von "stern" und RTL ergab, dass die Hälfte der Bundesbürger (50 Prozent) gegen einen Rücktritt Wulffs. Dass der Bundespräsident sein Amt aufgeben soll, fordern demnach 46 Prozent der Deutschen. Die Umfrage wurde am 4. und 5. Januar durchgeführt, also kurz vor dem TV-Interview von Wulff sowie tags darauf. Dabei hat der Fernseh-Auftritt des Präsidenten die Stimmung leicht positiv beeinflusst: Lehnten vorher 47 Prozent einen Rücktritt ab, waren es danach 52 Prozent. Der Anteil der Rücktritts-Befürworter sank von 49 Prozent auf 44 Prozent.
Wulff beteiligt sich nicht an Güteverfahren im VW-Streit
Am Freitag wurden gegen Wulff nun auch Vorwürfe wegen seiner früheren Tätigkeit als VW-Aufsichtsrat laut. VW-Investoren halten ihm nach einem Bericht der "Wirtschaftswoche“ vor, während der Übernahmeschlacht von Porsche und Volkswagen Pflichten verletzt zu haben. So habe er - als niedersächsischer Ministerpräsident Mitglied im VW-Kontrollgremium - nicht verhindert, dass Anleger getäuscht worden seien. Die Investoren fordern dem Bericht zufolge knapp 1,8 Milliarden Schadensersatz. Ähnliche Vorwürfe sind auch schon gegen die VW-Führung und Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch erhoben worden. Sie hatten dies aber stets zurückgewiesen.
Wie die Kanzlei CMS Hasche Sigle in Wulffs Auftrag mitteilte, werde sich der Bundespräsident nicht an einem außergerichtlichen Güteverfahren im Zusammenhang mit Schadenersatzforderungen von Anlegern beteiligen. Die Kanzlei berät seit 2009 die ehemaligen und aktuellen Aufsichtsratsmitglieder der Volkswagen AG, die von dem Land Niedersachen gestellt werden. Wulff sei zuvor ein Antrag auf Einleitung eines außergerichtlichen Güteverfahrens zugestellt worden, bestätigte die Kanzlei Angaben der Investoren.
Sie werfen Wulff vor, als Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat seine Pflichten verletzt zu haben und bestünden deshalb auf dem Termin, wie einer ihrer Anwälte, Alexander Reus, erklärte. In dem Antrag beziffern die Investoren Reus zufolge ihren bei der gescheiterten VW-Übernahme durch Porsche vor drei Jahren entstandenen Schaden auf 1,8 Milliarden Euro. Gütetermine werden vereinbart, um einen Streit außergerichtlich beizulegen.
Diskussion über Designerkleidung für Bettina Wulff
Unterdessen bericht das Magazin "Focus“, dass Wulffs Frau Bettina mehrfach Designerkleidung zur Verfügung gestellt bekommen habe. Dazu erklärte das Präsidialamt: "Einige wenige Kleider werden unentgeltlich, leihweise bereitgestellt und als geldwerter Vorteil in den entsprechenden Steuererklärungen angegeben. Frau Wulff macht keine Werbung für Mode und Schmuck.“
Die Pressestelle erklärte auf Anfrage, dass es für Schmuck und Bekleidung, die Bettina Wulff bei offiziellen Anlässen trage, keine gesetzlichen Regelungen oder Richtlinien gebe. "Frau Wulff werden vereinzelt Bekleidung und Schmuck aus den im Handel käuflichen Kollektionen zur Verfügung gestellt. Diese werden durch die Familie Wulff gekauft, manchmal gegen eine Gebühr geliehen und durch sie bezahlt“, heißt es in der Antwort.
In der Modebranche ist es gängige Praxis, dass Designer zum Beispiel für Fotoshootings oder für Galaveranstaltungen Kleider an Prominente verleihen. Diese werden dann wieder zurückgebracht. "Einige Kleider wurden kostenlos bereitgestellt“, zitierte "Focus" den Anwalt von Präsident Christian Wulff, Gernot Lehr. Dies sei bei der Steuererklärung berücksichtigt worden. Es habe sich um Stücke aus Kollektionen verschiedener deutscher Modehäuser gehandelt, die im Handel erhältlich sind.
Derweil dringt Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) in der Kreditaffäre um seinen Amtsvorgänger auf sorgfältige Aufklärung aller Vorwürfe, wie sein Sprecher sagte. Die Grünen im Landtag von Hannover legten einen Katalog mit 100 Fragen an die Landesregierung vor. Der Rechtsausschuss will sich am kommenden Mittwoch in nicht öffentlicher Sitzung mit Wulff und dessen Verhältnis zu befreundeten Unternehmern beschäftigen.
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Mit Material von dpa und rtr