Bundespräsident Christian Wulff versucht im TV-Interview mit ARD und ZDF den Befreiungsschlag - und bittet für die “schweren Fehler“ um Verzeihung.
Hamburg/Berlin. Ein Mann kämpft um sein Amt. Bundespräsident Christian Wulff, 51, hat gestern Abend in einem Fernsehinterview Fehler im Umgang mit der Privatkreditaffäre zugegeben und dafür um Verzeihung gebeten. Dennoch will er im Amt bleiben, an Rücktritt habe er in den vergangenen Tagen nicht gedacht, sagte er: "Die Bürger setzen darauf, dass ich Bundespräsident bleibe." Die Opposition kritisierte den Auftritt Wulffs als wenig überzeugend. Die Vorwürfe seien nicht ausgeräumt worden.
Wulff ging in dem Interview mit ARD und ZDF auch auf seinen Drohanruf beim Chefredakteur der "Bild"-Zeitung ein. Dieser sei ein schwerer Fehler gewesen, gab er zu. "Dafür entschuldige ich mich." In dem Anruf habe er aber lediglich gebeten, den Bericht über seinen 500 000-Euro-Privatkredit vom Unternehmerpaar Geerkens um einen Tag zu verschieben. Er sagte, er habe nicht versucht, die kritische Berichterstattung zu verhindern.
Soll Wulff gehen? Die Deutschen sind gespalten
Was ein Experte aus Wulffs Mimik liest
Nikolaus Blome, der Leiter des Hauptstadt-Büros der "Bild"-Zeitung, widersprach dieser Darstellung am Abend mit Nachdruck. "Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden", sagte Blome im Deutschlandfunk.
Wulff bat in dem Interview darum, sein Vorgehen menschlich zu verstehen. Sein Privatleben sei durch die öffentliche Debatte um den Kredit belastet worden. Wulff betonte, er habe auch seine Familie schützen wollen "vor dem Hintergrund dessen, was im Internet alles verbreitet wird über meine Frau". Wulff sprach von "Fantasien".
Internet-Nutzer rechnen schonungslos mit Wulff ab
Netzaktivist stellte Wulff-Interview vorab ins Internet
Zudem rechtfertigte sich Wulff mit dem schwierigen Übergang vom Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten zum Ersten Mann im Staate. Das sei alles sehr schnell gegangen. Dadurch habe er Fehler gemacht. "Ich habe mich als Opfer gesehen." Heute wisse er, dass er eine Bringschuld habe. Alle Anfragen zu seinem Privatkredit sowie die Antworten seiner Anwälte würden an diesem Donnerstag im Internet veröffentlicht. "Ich habe mich zum Recht der Presse- und Meinungsfreiheit bekannt", sagte Wulff. Aber, fügte er hinzu: "Es gibt auch Menschenrechte - selbst für Bundespräsidenten."
Dieses Video ist auch in den Mediatheken von ARD und ZDF zu sehen:
Vor dem Interview hatte es offenbar ein Gespräch zwischen Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegeben. Merkel ließ erklären, sie habe "volles Vertrauen darin, dass der Bundespräsident auch weiterhin alle anstehenden Fragen umfassend beantworten wird", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Mit seiner bisherigen Erklärung und der Offenlegung der Dokumente zu seinem Privatkredit habe Wulff bereits viele Fragen beantwortet. "Das war kein Befreiungsschlag", sagte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil zu Wulffs Interview. Es bleibe offen, ob Wulff den Ansprüchen gerecht werde, die die Bürger an einen Bundespräsidenten stellten. Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, sagte: "Dieser Auftritt zeigt, dass Herr Wulff die Vorwürfe an ihn im Kern offensichtlich nicht verstanden hat." Wulff lasse die zentralen Fragen um die Kredite für sein Haus weiter unbeantwortet. "Bundeskanzlerin Merkel kann mit dieser Erklärung nicht zufrieden sein. Wir erwarten, dass sie dazu Stellung nimmt." Die CSU dagegen sicherte Wulff Unterstützung zu. "Die CSU steht zu diesem Bundespräsidenten Christian Wulff, er hat auch unser Vertrauen", sagte Parteichef Horst Seehofer.
Das sagen die Leser des Abendblatts
Kritik an dem Exklusivinterview bei ARD und ZDF gab es von den Privatsendern. RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel sagte, er sei über die Informationspolitik des Präsidenten erstaunt. Mit der Beschränkung auf ARD und ZDF schließe Wulff Millionen Menschen aus. Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken, sagte, Wulff hätte Fragen aller Hauptstadtmedien beantworten sollen.