Dem Bundespräsidenten werden Steuerhinterziehung und die Beziehungen zur BW-Bank vorgeworfen. Wegen des Medienumgangs steigt der Druck.
Berlin. In der Kreditaffäre um Bundespräsident Christian Wulff sind bei der Staatsanwaltschaft in Hannover elf weitere Strafanzeigen gegen den früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten eingegangen. „Unsere Prüfung hat aber ergeben, dass kein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt“, hieß es am Montag aus der Behörde. Es gebe weiterhin keine Ermittlungen. Die Zeitung „Welt kompakt“ hatte von mindestens einer neuen Anzeige gegen das Staatsoberhaupt wegen angeblicher Steuerhinterziehung berichtet.
Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liege nun bei insgesamt 20, sagte Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel: „Unter den neuen sind auch einige anonyme.“ Darin gehe es vor allem um Wulffs Kontakte zur Stuttgarter BW-Bank, bei der er den umstrittenen Hauskredit der Unternehmergattin Edith Geerkens durch ein anderes Darlehen ablöste.
In manchen Anzeigen werde zudem geltend gemacht, dass Wulff für seine Urlaubsaufenthalte bei befreundeten Unternehmern Schenkungssteuer hätte zahlen müssen. „Das ist hier geprüft worden. Und wir sehen weiter keinen Anfangsverdacht“, betonte Lendeckel.
Strafanzeigen sind jederzeit möglich, jeder Bürger kann sie stellen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jedoch immer erst dann konkret, wenn es Anzeichen für eine Straftat gibt.
Bereits kurz vor Weihnachten hatten sich die Strafverfolger in Hannover mit neun Anzeigen gegen Wulff beschäftigt. Der Vorwurf: Korruption im Zusammenhang mit dem Privatkredit für sein Wohnhaus in Großburgwedel sowie den Urlaubsreisen. Die Beziehungen des ehemaligen Regierungschefs von Niedersachsen waren aber als „strafprozessual unverdächtig“ eingestuft worden. Zu Ermittlungen kam es bisher nicht.
Wulff hat unterdessen auf Kritik an seinem Umgang mit den Medien den Wert der Pressefreiheit unterstrichen. Das Bundespräsidialamt teilte mit: „Die Presse- und Rundfunkfreiheit ist für den Bundespräsidenten ein hohes Gut. Er hat deshalb zu den Krediten für sein Eigenheim und zu Urlaubsaufenthalten Transparenz hergestellt, Erklärungen abgegeben und mehrere Hundert Medienanfragen beantwortet. Über Vieraugengespräche und Telefonate gibt der Bundespräsident aber grundsätzlich keine Auskunft.“ Das Präsidialamt reagierte damit auf Berichte, Wulff habe bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann die erste Veröffentlichung über seinen umstrittenen Privatkredit zu verhindern versucht.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert die angeblichen Versuche, Einfluss auf die Berichterstattung von Medien zu nehmen. „Prominente müssen sich kritische Berichterstattung als Teil der Meinungsfreiheit gefallen lassen“, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken am Montag in Berlin. „Das müsste niemand besser wissen als der erste Mann im Staat.“
Zuvor hatten mehrere Zeitungen übereinstimmend berichtet, dass Wulff persönlich versucht habe, die Veröffentlichungen in der „Bild“-Zeitung zur Kreditaffäre zu verhindern. Wulff habe am 12. Dezember auf die Mailbox von „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann gesprochen, hieß es in der „Süddeutschen Zeitung“ (Montagsausgabe) ohne Angabe von Quellen. Darin habe der Bundespräsident den „endgültigen Bruch“ mit dem Springer-Verlag angedroht, falls die „unglaubliche“ Geschichte tatsächlich erscheinen sollte.
Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ hat Wulff später noch einmal Kontakt zu Diekmann aufgenommen und den Anruf bedauert. Daraufhin habe der „Bild“-Chefredakteur die Sache für erledigt erklärt, hieß es. Der Springer-Verlag äußerte sich am Montag auf EPD-Anfrage nicht zu den Berichten. „Bild“ hatte vom 13. Dezember an ausführlich über die Kreditaffäre berichtet, dabei aber nicht über Beeinflussungsversuche Wulffs geschrieben.
Der DJV teilte mit, dem Bundespräsidenten komme als Staatsoberhaupt eine Vorbildfunktion zu. Wulffs Versuche gegenüber „Bild“ seien nicht vereinbar mit seiner Erklärung vom 22. Dezember, in der er die Bedeutung der Pressefreiheit ausdrücklich hervorgehoben habe.
Im Zentrum der Affäre steht ein Privatkredit von 500.000 Euro, den Wulff 2008 als niedersächsischer Ministerpräsident von dem befreundeten Unternehmerpaar Egon und Edith Geerkens erhalten hatte. Am 22. Dezember hatte sich Wulff für „Irritationen“ in der Kreditaffäre entschuldigt und seinen Sprecher Olaf Glaeseker entlassen. (dpa/epd)