Was jemand ins Netz stellt, sollte ein Verfallsdatum haben. Die Politik will Kredite im Netz, Medikamentenhandel und Ortungsdienste regulieren.
Berlin. Das Internet vergisst nicht. Aber kann man es vielleicht dazu bringen, bestimmte Informationen einfach nicht mehr anzuzeigen? Innenminister Thomas de Maizière (CDU) legte am Dienstag 14 Thesen für eine deutsche Netzpolitik vor und forderte dabei einen „digitalen Radiergummi“, der beleidigende Äußerungen oder peinliche Inhalte aus dem weltweiten Netz tilgen könnte. Die Idee klingt gut - die Umsetzung ist jedoch kompliziert. Staatliche Einflussnahme und Regulierungen für das Netz will der Innenminister auf das absolut nötige Maß beschränken. Seine – auch in den sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook stark beachteten – Vorstellungen sollen in die Internet-Strategie der Bundesregierung einfließen.
Mit seinen Thesen unterscheidet sich de Maizière, der innerhalb der Bundesregierung für die Netzpolitik und den Datenschutz zuständig ist, deutlich von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CDU) und auch von so manchen Ansätzen aus den Bundesländern. So warnt Aigner die Wirtschaft vor Verstößen gegen den Datenschutz und droht zugleich mit gesetzlichen Verschärfungen. Sie ging das Sozialnetzwerk Facebook und den Suchmaschinenkonzern Google verbal hart an. Insbesondere stört sich Aigner am Dienst Google Street View, weil dort Kamerafahrzeuge des US-Unternehmens auch in Deutschland systematisch jeden Straßenzug fotografieren. Nachdem Google auch noch einräumen musste, bei den Kamerafahrten private Daten aus offenen Funknetzen gespeichert zu haben, verschärfte die Ministerin ihre Kritik.
Nach den Vorstellungen de Maizières soll der Internet-Nutzer vor allem „frei, selbstbestimmt und eigenverantwortlich“ handeln können. Kritisch betrachtet der Innenminister auch die Gesetzesinitiative der Bundesländer Hamburg und Saarland im Bundesrat. Vor dem Hintergrund des Projekts Google Street View sieht die Initiative vor, Gesichter und Kfz-Kennzeichen generell unkenntlich zu machen, bevor die Daten ins Netz gestellt werden. De Maizière lehnt aber ein spezielles Gesetz zu Google Street View ab. Der Gesetzgeber dürfe nicht den Weg einschlagen, „dass wir für jeden neuen Dienst ein neues und eigenes Gesetz schaffen. Bei einer solchen Einzelfallgesetzgebung würden wir bald hoffnungslos hinterherhinken.“
Zum einen reichten die vorhandenen Vorschriften bereits aus, erklärt der Minister. Zum anderen würden neue Gesetze wohl auch gar nicht viel bringen. „Privatpersonen könnten nämlich die Lücken schließen, die ein Gesetz in Googles Straßenzüge reißen würde“, sagt de Maizière. So habe ein Blogger bereits angekündigt, jedes Haus, das ausgeblendet werde, zu fotografieren und mit so genannten Geotags zu versehen, damit das Haus leicht auf einer Online-Karte gefunden werden kann. Dennoch soll der Staat dem Treiben im Internet nicht vollkommen tatenlos zusehen. Schützen will de Maizière die Nutzer zum Beispiel vor dubiosen Finanzdienstleistern im Internet – mit einem staatlichen Zulassungssystem und notfalls auch mit Verboten.
Der von de Maizière angeregte „digitale Radiergummi“ funktioniert allerdings nicht so einfach, wie es klingt – und wahrscheinlich auch nicht ohne ein staatliches Zutun. Sozialnetzwerke wie Facebook oder StudiVZ wird der Gesetzgeber noch verpflichten können, dass Anwender die von ihnen selbst ins Netz geladenen Inhalte wieder komplett herausnehmen können. Schwieriger wird es aber bereits, wenn Texte, Fotos oder Videos gar nicht von den Betroffenen selbst stammen.
Außerdem wandern peinliche oder verunglimpfende Inhalte häufig durch das Netz und tauchen auch auf Webseiten auf, die nicht so einfach zur Einhaltung dieser Spielregeln gezwungen werden können. Und solange die Inhalte nur peinlich, aber nicht kriminell sind, werden die Betroffenen dann nur wenig ausrichten können.
De Maizière relativiert in seiner Grundsatzrede deshalb auch den Ansatz vom „Radiergummi“ und spricht davon, dass zumindest das Auffinden dieser Inhalte erschwert werden müsste. Um dies zu erreichen, müsste der Gesetzgeber Google und andere Suchmaschinenanbieter in die Pflicht nehmen: Betroffene müssten dann das Recht haben, negative Äußerungen über ihre Person aus dem Suchindex löschen zu lassen. Dieses Selbstbestimmungsrecht müsste aber eng definiert werden. Sonst setzen sich die Verantwortlichen dem Vorwurf aus, eine Zensur für kritische Inhalte im Netz zu errichten.