Die Daten-Projekte der Regierung stehen still. Die FDP sperrt sich gegen die Steuerkartei Elena und den elektronischen Personalausweis.
Hamburg. Der Widerstand gegen die wichtigsten und kostspieligsten Daten-Projekte der Bundesregierung wächst. Die Steuerdatenbank Elena, der elektronische Personalausweis und die neue Gesundheitskarte liegen derzeit auf Eis. Die Vision einer bürgernahen elektronischen Regierung droht am Datenschutz und am Bundesverfassungsgericht zu scheitern. Und wie Zehntausende Bürger stemmt sich die Regierungspartei FDP gegen Elena, E-Personalausweis und e-Card.
"Das Elena-Verfahren ist noch dramatischer als die Vorratsdatenspeicherung. Es wird erstens nur an einem Ort gespeichert, während bei der Vorratsdatenspeicherung es ja jeweils die Server der Provider wie Telekom oder Vodafone sind. Und zweitens werden Krankheitsdaten, Urlaubszeiten und Streiktage aufgenommen. Es geht um ein gesamtes Arbeitnehmerleben. Es ist fraglich, ob man das zulassen muss", sagte Christian Ahrendt (FDP), parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, dem Abendblatt.
Von Elena haben nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen 40 Prozent der Arbeitnehmer nie etwas gehört. Dabei gibt es den elektronischen Entgeltnachweis schon seit Anfang des Jahres. Die Firmen müssen jeden Monat die Daten ihrer Mitarbeiter an eine zentrale Speicherstelle senden: Name, Anschrift, Gehalt, Voll- oder Teilzeit, Religionszugehörigkeit, Urlaubs- und Krankheitstage, sonstige Fehlzeiten.
Ab 2012 können Behörden von dem Elena-Datenpool bei der Deutschen Rentenversicherung diese Daten abrufen, wenn jemand Elterngeld, Wohn- oder Arbeitslosengeld beantragt. Bislang müssen die Arbeitgeber Millionen Bescheinigungen auf Papier ausstellen. FDP-Experte Ahrendt fordert: "Wir wollen, dass Elena entschlackt wird. Aus dem Projekt ist ein bürokratisches Monster geworden."
Ursprünglich war Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verantwortlich. Dann übergab sie die Hoheit über Elena ans Wirtschaftsministerium, wo der entschlackungsfreudige Rainer Brüderle (FDP) sitzt. Die Unternehmer standen bei ihm Schlange, weil Elena mehr Bürokratie als geplant verursacht. Brüderles Haus beauftragte Innenministerium (Thomas de Maizière) und Justizministerium (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger), Elena zu überprüfen. "Dann muss man sehen, was man daraus macht", sagte Brüderles Sprecher Tobias Pierlings.
Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung sagte dem Abendblatt: "Ich rechne mit Korrekturen an Elena. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung hat sich die Rechtsgrundlage verändert." Das Erheben von Daten müsse grundsätzlich und verhältnismäßig sein. "Beide Grundsätze sehe ich bei Elena verletzt." 22 000 Unterschriften besorgter Bürger sind unter der Massenklage gegen Elena in Karlsruhe zu lesen. "Wenn Elena verfassungswidrig wäre, dann wäre noch relativ viel mehr verfassungswidrig, was bisher unstreitig war", sagte Innenminister de Maizière, als die Unterschriften Ende März per Karton beim Bundesverfassungsgericht eintrafen.
Ähnlich vertrackt ist die Lage bei der schon um vier Jahre verspäteten elektronischen Gesundheitskarte. Der Präsident der Freien Ärzteschaft, Martin Grauduszus, sagte: "Behörden, Versicherungen und nicht zuletzt die Gesundheitsindustrie" würden sich an diesem "gigantischen Datenpool ungebremst bereichern". Die Betreibergesellschaft für die e-Card kontert: "Die Karte kommt", wie Daniel Poeschkens von der Gematik sagte. Für die festgefahrenen Verhandlungen zwischen Ärzten, Kassen und Betreibern wurde ein Schlichter eingesetzt: der Ex-Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder. Er war schon Ulla Schmidts Mann für die e-Card.
In den meisten Tests fiel die Karte durch. Viele Mediziner lehnen sie ab, weil nicht auf ihr selbst Daten gespeichert werden, sondern sie nur als Schlüssel für Datenbanken fungiert. Befürworter sagen, der Betrug im Gesundheitswesen werde mit der e-Card eingedämmt, die Verwaltung von Patienten und das Abrechnen endlich moderner.
Erhebliche Bedenken gibt es auch gegen den neuen Personalausweis mit Chip, der im Herbst kommen soll. Ob er je in den Händen der Bürger landet, ist ungewiss. Fachleute der Bundesregierung beteuern, dass er sicher sei. "Das sagen die IT-Experten immer. Trotzdem kommt immer irgendjemand an die Daten. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgendwo", sagt FDP-Rechtsexperte Ahrendt. Er befürchtet einen schleichenden Trend zur gläsernen Identität aller Deutschen. "Ich finde, wir haben einen sehr erfolgreichen Personalausweis, der fälschungssicher ist. Ich brauche keine elektronische Identität mit mir herumzutragen."
Der neue Ausweis für Erika Mustermann ist ein Alleskönner, klein wie eine Kreditkarte, aufrüstbar für Fingerabdrücke und andere biometrische Daten. Der RFID-Chip (Radio Frequency Identification) sorgt unter anderem dafür, dass man vom Laptop per Lesegerät Online-Geschäfte mit zugelassenen Anbietern sicher abwickeln kann. Man kann dann selbst entscheiden, welche Daten der Reiseveranstalter, das Internet-Auktionshaus oder die Online-Bank erhält. Virtuelle Behördengänge werden außerdem leichter.
Der Funkchip strahlt allerdings über den Ausweis hinaus. "Die Verschlüsselung ist in anderen Ländern schon geknackt worden", sagt Datenschützer Steffens. Er befürchtet, dass der E-Perso dem Missbrauch Tür und Tor öffnet. FDP-Rechtsexperte Ahrendt sagt: "Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Bürger dazu zu erziehen, mit einem Personalausweis eine Internetbestellung zu machen."