„Mutti“ oder „Chefin“: Es gibt viele Rufnamen für die Kanzlerin. Keiner ist so gemein wie der aus der FDP. Das Klima in der Regierung ist vergiftet.
Stuttgart. In den FDP-Landesverbänden trauen viele der Bundeskanzlerin nicht mehr über den Weg. Das Wort „Schwarze Witwe“ macht die Runde – im Tierreich verschlingt die Spinne ihren Partner nach der Paarung. Auch die SPD habe die Große Koalition mit Angela Merkel (CDU) fast nicht überlebt, wird argumentiert.
Die liberalen Parteifreunde zum Beispiel in Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen oder Sachsen-Anhalt fürchten auch mit Blick auf den Absturz in den Umfragen immer mehr um das politische Überleben. In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt wird schließlich im nächsten Frühjahr gewählt.
Zu oft lasse sich die Bundes-FDP über den Tisch ziehen, maulen die Landesfürsten nun auch immer häufiger öffentlich. Ob bei der weiteren Steuersenkung oder der Kür des Kandidaten Christian Wulff für die Nachfolge von Bundespräsident Horst Köhler: Merkel habe den Freien Demokraten zuletzt den Schneid abgekauft.
Und so nahmen die Fraktionschefs in den Landtagen Ende vergangener Woche das Heft in die Hand. „Bei der Telefonkonferenz am Freitag hat Westerwelle nichts Freundliches gehört“, heißt es aus mehreren Ländern. Der FDP-Chef und Außenminister Guido Westerwelle wurde vehement aufgefordert, jetzt mal etwas in der Innenpolitik durchzusetzen.
Die CSU hatte zuvor das Fass zum Überlaufen gebracht, indem sie Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) bloßstellte. Der Südwest- FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke beschrieb die Stimmung so: „Am Donnerstag nicken wir den Kandidaten der Union ab, im Gegenzug heißt es am Freitag, die Gesundheitsreform wird abgeblockt.“ Die Bundes-FDP ging denn auch zum Gegenangriff auf die CSU über. FDP-Gesundheits-Staatssekretär Daniel Bahr wetterte, die CSU verhalte sich wie eine „Wildsau“, und brach damit einen heftigen Streit vom Zaun. Doch dann stellte sich Merkel am Mittwoch auch noch gegen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der Bundeshilfen für Opel abgelehnt hatte.
Und so verstärkte die FDP in den Ländern noch mal den Druck: Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn drohte damit, Wulff hängen zu lassen, wenn die Union nicht abrüste. „Der Schlüssel liegt in der Hand von Angela Merkel.“ Die Liberalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt liebäugeln sowieso damit, den rot-grünen Bundespräsident-Aspiranten Joachim Gauck zu unterstützen.
Der Magdeburger FDP-Fraktionschef Veit Wolpert war „stinksauer“, dass die Bundespartei Wulff einfach so akzeptierte. Sachsens FDP-Generalsekretär Torsten Herbst schäumte, diese „Art Kommandowirtschaft von oben“ sei nicht akzeptabel.
Die Drohkulisse war errichtet. Die Baden-Württemberger sahen in der Opel-Frage sogar eine Sollbruchstelle in der Koalition in Berlin. „Dann steht die Koalition auf der Kippe“, sagte Wirtschaftsminister Ernst Pfister. Er orchestrierte damit die Drohung von Generalsekretär Christian Lindner, ein Ja zu Opel-Hilfen könnte das Ende des einstigen Wunschbündnisses sein. Nun müsse sich „Mutti“ – wie Merkel auch von vielen in der FDP genannt wird – entscheiden, „ob sie zurück an die Brust von Peer und Frank will“, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Merkel votierte – wenn man so will – vorerst gegen eine Rückkehr zur Großen Koalition mit Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier (beide SPD). Sie akzeptierte Brüderles Absage an Opel-Hilfen. Rülke zeigte sich erfreut: „Das Überdruckventil ist erst einmal geschlossen.“ Nun hofft er, dass die Unionsspitze weiter am Koalitionsfrieden arbeitet.
Allein, Rülke hat da so seine Zweifel: Zu oft kämen aus Merkels Umfeld Querschüsse. So zuletzt von Peter Altmaier, Unions- Fraktionsgeschäftsführer, der schon wieder Steuererhöhungen ins Gespräch gebracht hatte. Dass der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki auch über einen höheren Spitzensteuersatz nachdenkt, löst bei vielen in der FDP Kopfschütteln aus. „Der braucht für seine Meinungsbildung keine Argumente“, heißt es aus der FDP in Stuttgart.
Das Hauen und Stechen in Berlin trübe selbstverständlich auch die Aussichten für das aus seiner Sicht „sehr erfolgreiche Bündnis“ mit der CDU im Südwesten bei der Landtagswahl Ende März 2011, bilanziert Rülke. Zum Glück sei die Südwest-CDU mit Stefan Mappus an der Spitze nicht darauf aus, die FDP kleinzumachen. Auch Sachsens FDP-Chef Volker Zastrow hofft, dass der Bund sich endlich ein Beispiel an der schwarz-gelben Zusammenarbeit in den Ländern nimmt: „Der Streit hier wird auf einem anderen Niveau geführt. Wir sind fair im Umgang miteinander.“