Ex-Bundeswehrinspekteur Schneiderhan greift Verteidigungsminister Guttenberg an: Er habe ihn nicht präzise nach weiteren Dokumenten gefragt.

Berlin. Einen Verteidigungsminister hat der Fall Kundus bereits den Kopf gekostet. Franz Josef Jung (CDU) musste Ende November zurücktreten, weil er Parlament und Öffentlichkeit über einen von der Bundeswehr am 4. September 2009 angeordneten Luftschlag in Nordafghanistan nur unzureichend informiert hatte. Bei dem Angriff auf zwei von den Taliban entführte Tanklastzüge nahe Kundus waren bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden.

Geht es nach SPD, Grünen und Linken, soll bald ein zweiter Minister folgen: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Der war zum Zeitpunkt des Luftschlags noch nicht im Amt, soll nach Meinung der Opposition aber bei der Aufarbeitung derart gravierende Fehler gemacht haben, dass seine Eignung für den Job in Zweifel zu ziehen sei.

"Ist ein Minister, der nicht mehr glaubwürdig ist, für die Truppe die richtige Führungsfigur?" Dieser Frage des SPD-Verteidigungsexperten Hans-Peter Bartels ging die Opposition gestern im Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags nach. Die Kronzeugen, die Guttenbergs Glaubwürdigkeit infrage stellen sollten, heißen Wolfgang Schneiderhan und Peter Wichert. Guttenberg hatte beide entlassen, weil er sich von ihnen falsch beraten fühlte. Über den genauen Ablauf der Entlassung aber gab es bislang unterschiedliche Darstellungen beider Seiten.

Sollte Guttenbergs Version, ihm seien Dokumente vorenthalten worden, nicht der Wahrheit entsprechen, hatte SPD-Mann Bartels prophezeit, werde es eng für den Minister.

Der ehemalige Generalinspekteur Schneiderhan hatte sich akribisch vorbereitet. Als Militär a. D. erschien er in Zivil, mit grauem Dreiteiler, gedeckter Krawatte und Einstecktuch. Seine zwei Stunden dauernden Ausführungen las er von einem Stapel Papier ab, säuberlich geordnet in einem roten Schnellhefter.

Die Verstimmung über seinen unrühmlichen Abgang nach 43 Jahren in Diensten der Bundeswehr war seinem Vortrag anzumerken. Schneiderhan lieferte eine Rechtfertigung, die zu einer Verteidigung des zurückgetretenen Ministers Jung geriet. Er räumte Informationspannen im Ministerium ein, führte dafür aber die komplizierte Einbettung der deutschen Auslandseinsätze in internationale Verantwortungszusammenhänge an.

Was die Opposition aber besonders enttäuscht haben dürfte: Substanzielle Vorwürfe an die Adresse des Ministers Guttenberg lieferte Schneiderhan nicht. Er erkannte an, dass Guttenberg das Recht gehabt habe, ihn zu entlassen. Sein Unmut richtete sich allein gegen die Begründung des Ministers: "Verletzt hat mich die Diktion in der anschließenden Pressearbeit."

Guttenberg hatte Schneiderhan und Wichert vorgeworfen, ihm Dokumente "vorenthalten", "verweigert" oder gar "unterschlagen" zu haben. Das habe er als "ehrabschneidend" empfunden und den Minister schriftlich um Richtigstellung gebeten.

Dem war Guttenberg vorige Woche nachgekommen, indem er klarstellte, er habe nie den Eindruck erwecken wollen, Schneiderhan und Wichert hätten "vorsätzlich oder böswillig gehandelt". Damit sei die Sache für ihn erledigt, sagte Schneiderhan.

Das ändert nichts an der Tatsache, dass Guttenberg relevante Dokumente erst auf Nachfrage zu Gesicht bekam. Schneiderhan schilderte das fragliche Gespräch mit dem Minister am 25. November so: Guttenberg habe ihn und Wichert gefragt, ob es neben den ihm vorliegenden Berichten weitere Papiere zum Fall Kundus gebe. Wichert habe das verneint. Erst auf eine weitere Nachfrage habe er, Schneiderhan, dann auf die Existenz von drei weiteren Dokumenten hingewiesen. Der General rechtfertigte dieses verspätete Eingeständnis mit der "nicht präzisen" Fragestellung des Ministers, die sich ihm als Deutlichkeit gewohnten Militär nicht sofort erschlossen habe.

Wenig Munition also für die Opposition gegen Guttenberg - zumal die Glaubwürdigkeit Schneiderhans und Wicherts erschüttert wurde. Beide bestätigten die Existenz einer "Gruppe 85". Sie sollte versuchen, Kritik an der Bundeswehr nach dem Bombardement zu verhindern.

Unterdessen sieht sich der deutsche Oberst Georg Klein, der den Luftangriff angefordert hatte, dem Vorwurf ausgesetzt, ein Kriegsverbrechen begangen zu haben. Der Anfangsverdacht, dass bei dem Einsatz gegen das Völkerstrafgesetzbuch verstoßen wurde, habe sich "auf niedriger Stufe" bestätigt, zitiert die "Stuttgarter Zeitung" einen Sprecher der Bundesanwaltschaft. Deshalb sei gegen Klein und seinen Flugleitoffizier ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.