Hamburg. Marc Lindemann war noch 2009 als Nachrichtenoffizier in Kundus stationiert. Aktuell erschien ein Buch des Politologen: "Unter Beschuss: Warum Deutschland in Afghanistan scheitert".

Hamburger Abendblatt:

Glauben Sie, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wurde von seinem Ex-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan unzureichend informiert?

Marc Lindemann:

Ich habe aus Kreisen des Ministeriums die Information, dass Schneiderhan eigenständig oder sogar selbstherrlich über die Weitergabe von Informationen entschieden hat. Allerdings wurde mir das in einer Zeit erzählt, in der das Ministerium in Schneiderhan bereits den Sündenbock für den Fall Kundus gefunden hatte.

Abendblatt:

Eine "Gruppe 85" soll sich um Ex-Staatssekretär Peter Wichert formiert haben, um den Fall Kundus zu beschönigen.

Lindemann:

Das ist vorstellbar. Ich habe das Gefühl, dass hohe Ränge der Bundeswehr zunehmend eine Informationsblockade aufbauen. Das zeigt auch der Bericht des Wehrbeauftragten: Unbequeme Nachrichten über mangelhafte Ausrüstung werden nicht weitergegeben.

Abendblatt:

Hatte der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung so wenig Kontrolle über sein Ministerium, dass Wichert und Schneiderhan die Führung übernahmen?

Lindemann:

Jung galt in der Truppe als führungsschwach. Es ist möglich, dass Schneiderhan das Machtvakuum kompensierte.

Abendblatt:

Wird Guttenberg den Ausschuss überstehen?

Lindemann:

Sicher. Der Ausschuss ist eine politische Inszenierung, um Guttenberg in seinem Amt zu schwächen. Es ist schlimm, dass sich der Ausschuss stattdessen nicht mit den entscheidenden Fragen befasst: Wollen wir, dass unsere Bundeswehr in einen Kampfeinsatz zieht? Und wenn ja, mit welchen Mitteln wollen wir diesen Kampf führen?