Daran ist Deutschlands prominenteste Protestantin Margot Käßmann haarscharf vorbeigeschrammt. Ab 1,6 Promille am Steuer müssen nach Auskunft der Stadt Hannover Autofahrer routinemäßig die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) absolvieren, um den Führerschein zurückzubekommen. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und hannoversche Landesbischöfin Käßmann aber hatte laut Blutprobe 1,54 Promille, als sie auf der Rückkehr von einer privaten Feier in der Nacht zum Sonntag von der Polizei nach einem Rotlichtverstoß gestoppt wurde.
Völlig offen war gestern die Frage persönlicher Konsequenzen für die 51-Jährige. Der Hamburger Pfarrer und Leiter der konservativen Konferenz Bekennender Gemeinschaften, Ulrich Rüß, sagte: "Für sie als Person und was ihre Ämter als Bischöfin und Ratsvorsitzende betrifft, ist das wirklich schlimm. Sie ist natürlich besonders gefragt in ihrer Vorbildfunktion und Verantwortung. Aber die Konsequenz, die sie zieht, muss ihre Sache sein." Jede Häme und jedes vorzeitige Richten sei unangebracht.
Der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer verwies auf den Druck, unter dem Käßmann als oberste Repräsentantin der 25 Millionen Protestanten steht : "Das ist ein Blackout, der leider immer wieder Leuten passiert, die in öffentlichen Ämtern unter Dauerstress stehen." Er riet Käßmann, offen zu ihrer Verfehlung zu stehen.
Erst im Oktober vergangenen Jahres war Käßmann an die Spitze der EKD gewählt worden, seit 1999 ist sie Bischöfin der Landeskirche Hannover. Mit ihrer Scheidung machte die vierfache Mutter 2007 Schlagzeilen genau wie zum Jahreswechsel mit ihrer klaren Stellungnahme gegen die fortdauernde Beteiligung deutscher Soldaten am Krieg in Afghanistan.
Unterwegs war die Bischöfin in der Nacht zum Sonntag mit ihrem Dienstfahrzeug, einem VW Phaeton. Sie hätte, wie ein Sprecher der Landeskirche gestern einräumte, auch einen Fahrer bestellen können: "Aber der hat auch irgendwann mal Feierabend." In der Landeskirche droht ihr lediglich eine Rüge, ein Disziplinarverfahren, so der Sprecher, wird bei solchen Verstößen gegen Pastoren nicht mehr eingeleitet. Als Ratsvorsitzende ist Käßmann auf sechs Jahre gewählt und als Landesbischöfin bis zur Pensionierung mit 65 Jahren.