Die EKD-Vorsitzende Margot Käßmann hat nach ihrer Trunkenheitsfahrt persönliche Konsequenzen gezogen und ist von allen ihren Ämtern zurückgetreten.
Hannover. Am Ende hat sie doch ein Einsehen: Nach lediglich vier Monaten an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann am Mittwoch von allen ihren Ämtern zurückgetreten und legte damit auch ihr Amt als hannoversche Landesbischöfin nieder. Die 51-Jährige zog die Konsequenz aus Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen einer Trunkenheitsfahrt. Käßmann war am Sonnabendabend mit 1,54 Promille Alkohol im Blut am Steuer ihres Dienstwagens in Hannover angehalten worden.
1. EIN PORTRÄT ÜBER MARGOT KÄßMANN
2. RÜCKTRITTSERKLÄRUNG IM WORTLAUT
3. DIE SEITE 3 AUS DEM HAMBURGER ABENDBLATT: MARGOT KÄßMANN - BLACKOUT EINER BISCHÖFIN
Sie habe einen „schweren Fehler“ gemacht, den sie „zutiefst“ bereue, erklärte Käßmann in Hannover. Sie könne und wolle nicht darüber hinwegsehen, „dass das Amt und meine Autorität als Landesbischöfin sowie als Ratsvorsitzende beschädigt sind“. „Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so, wie ich sie hatte“, erklärte sie. Sie sei mehr als zehn Jahre lang mit Leib und Seele Bischöfin gewesen und bleibe Pastorin der hannoverschen Landeskirche. Es tue ihr leid, dass sie viele enttäusche, die sie gebeten hätten, im Amt zu bleiben.
Die Spitzen der evangelischen Kirche hatten sich noch wenige Stunden zuvor hinter Käßmann gestellt. In einer Erklärung sprach der Rat der EKD als oberstes Leitungsgremium der Bischöfin „einmütig“ sein Vertrauen aus. Nach dem Rücktritt von der EKD-Spitze übernimmt zunächst der bisherige Stellvertreter Käßmanns, der rheinische Präses Nikolaus Schneider, den Ratsvorsitz. Eine Neuwahl wird voraussichtlich bei der turnusgemäßen Synodentagung im November erfolgen.
Schneider und Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Bundestags, äußerten in einer gemeinsamen Erklärung ihr Bedauern über Käßmanns Rücktritt. „Die Gradlinigkeit und Klarheit in ihren theologischen, sozialpolitischen und gesellschaftspolitischen Positionen werden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) fehlen“, erklärten sie. Käßmanns Rücktritt sei ein schwerer Verlust für den deutschen Protestantismus. Der Vizepräses der EKD-Synode und ehemalige bayerische Ministerpräsident, Günther Beckstein, sagte dem EPD, der Rücktritt sei Käßmanns Entscheidung, die er respektiere: „Von mir aus hätte sie bleiben können.“
Der Hamburger Pastor Ulrich Rüß, Vorsitzender der Konferenz Bekennender Gemeinschaften, sagte zu abendblatt.de: "Der Rücktritt von Frau Käßmann aus den von ihr selbst benannten Gründen notwendig geworden. Für diesen Schritt verdient sie alle Achtung und Respekt! Frau Käßmann ist nicht nur Privatperson, sie war Landesbischöfin und Ratsvorsitzende der EKD, hatte mit ihren Ämtern Vorbildfunktion. Sie repräsentierte die Kirche und verkörperte eine notwendige moralische Instanz unserer Gesellschaft. Als solche hat sie ja auch in der Vergangenheit häufiger schon deutlich auf Missstände hingewiesen. Diese Kriterien und Maßstäbe waren nun erschüttert."
Hamburgs Bischöfin Maria Jepsen Bischöfin Maria Jepsen sagte: "Ich bin tief erschüttert und sehr traurig über die Ereignisse der vergangenen Tage." Der Schritt von Margot Käßmann verdiene großen Respekt. Sie habe auch in dieser schwierigen Situation in aller Klarheit zu ihren Fehlern gestanden und zeige mit ihrer Entscheidung, dass sie die eigene Authentizität und Glaubenskraft auch in diesen Tagen durchhalten konnte. "Es ist nicht einfach, einen Fehler einzugestehen und um Vergebung zu bitten", sagte Jepsen und fügte hinzu: "Ich bitte Gott um seinen Segen für Margot Käßmann, die unserer Kirche über viele Jahre mit so großem Einsatz gedient hat."
Käßmann war im Oktober vergangenen Jahres als erste Frau an die Spitze der EKD gewählt worden und repräsentierte in dem Amt 25 Millionen Protestanten. Öffentliche Aufmerksamkeit erlangte sie zum Jahreswechsel mit Kritik am militärischen Engagement Deutschlands in Afghanistan. Auf den Wirbel um ihre Neujahrspredigt ging sie auch in ihrer Rücktrittserklärung ein. „Die harsche Kritik etwa an einem Predigtzitat wie ’Nichts ist gut in Afghanistan’ ist nur durchzuhalten, wenn persönliche Überzeugungskraft uneingeschränkt anerkannt wird“, sagte sie.
1999 war Käßmann als Bischöfin der hannoverschen Landeskirche eingeführt worden. Sie rückte damit an die Spitze der mit knapp drei Millionen Mitgliedern größten Landeskirche in Deutschland. Nach dem Rücktritt der Bischöfin wird am Donnerstag nach Angaben eines Sprechers der Landeskirche der Kirchensenat beraten und aus dem Kreis der sechs Landessuperintendentinnen und Landessuperintendenten einen sogenannten Bischofsvikar wählen, der bis zu einer Bischofswahl durch die Synode die Amtsgeschäfte führt. Die Landessuperintendenten sind in ihren Ämtern Regionalbischöfen vergleichbar.
Käßmann war vor ihrer Bischofswahl Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags und hatte sich in den 80er Jahren im Ökumenischen Rat der Kirchen profiliert. Die Bischöfin war 26 Jahre lang mit dem Pfarrer Eckhard Käßmann verheiratet, von dem sie sich im August 2007 scheiden ließ. Die beiden haben vier Töchter. Im Sommer 2006 erkrankte Margot Käßmann an Brustkrebs und nahm ihren Dienst zwei Monate nach ihrer Operation wieder auf.