Der Rechnungshof hat die Bundesregierung scharf kritisiert: Statt Steuern zu senken, sollte sie sparen - Möglichkeiten gäbe es genug.
Berlin. Nach den „Wirtschaftsweisen“ hat auch der Bundesrechnungshof die Steuer- und Haushaltspolitik der neuen Koalition scharf kritisiert. „Für weitere Steuersenkungen in größerem Umfang gibt es derzeit finanzwirtschaftlich keinen Spielraum“, sagte Rechnungshof-Präsident Dieter Engels, als er in Berlin die Bemerkungen 2009 des Bundesrechungshofs vorstellte. Mit seinen jährlichen Bemerkungen unterrichtet der Bundesrechnungshof den Deutschen Bundestag, den Bundesrat, die Bundesregierung und die Öffentlichkeit über seine wesentlichen Prüfungsergebnisse. Demnach würden allein die Steuerpakete der vergangenen zwölf Monate bis 2013 Einnahmeausfälle von 125 Milliarden Euro verursachen. Auch der geplante Hotel-Steuerbonus führe zu einem „gewissen Bauchgrimmen“.
Die obersten Rechnungsprüfer hielten nicht nur die schwarz-gelben Steuerpläne für falsch. Sie vermissten zudem eine Strategie zum Abbau der Rekordschulden. Die für 2010 geplante Neuverschuldung des Bundes sei das Neunfache dessen, was von 2016 an als „Struktur-Defizit“ (ca. 9 Milliarden Euro) erlaubt sei. „Wir sind von einem regelkonformen Haushalt weit entfernt“, sagte Engels. „Die Lage ist ernst“. Er sei aber optimistisch, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) „wirklich ernsten Willens“ sei, die Verschuldung nicht noch höher zu treiben.
Angesichts der Rekord-Neuverschuldung des Bundes und eines Schuldenberges von einer Billion Euro sei die Sanierung des Haushaltes das Gebot der nächsten Jahre, sagte Engels. Union und FDP sollten in ihrer mittelfristigen Planung konkrete Aussagen treffen, wie das Rekorddefizit reduziert wird: „Eine entsprechende Strategie ist bisher leider noch nicht erkennbar.“ Aus Sicht der Rechnungsprüfer sind Einsparungen und Mehreinnahmen von rund 21 Milliarden Euro innerhalb von fünf Jahren zügig machbar. Weitergehende Einsparungen bedeuteten zwar Verteilungskämpfe, räumte Engels ein. „Wir müssen uns der Einsicht beugen, dass der Bundeshaushalt nicht kurzfristig durch Kürzungen saniert werden kann“. Die Ausgaben seien zu mehr als 90 Prozent fest gebunden. Größere Summen ließen sich nicht „mir nichts, dir nichts“ sparen. Es gebe aber Konsolidierungspotenzial, sagte der Rechnungshof-Präsident.
Konkret schlägt der Rechnungshof vor, die Wohnungsbauprämie zu streichen. Dies würde 500 Millionen Euro bringen. Würden einige Bundesstraßen zu Autobahnen hoch gestuft und dort die Lkw-Maut erhoben, kämen mindestens weitere 100 Millionen Euro im Jahr dazu. Zudem sollten Steuervergünstigungen bei Nutzenergie-Geschäften gestrichen und Einnahmeausfälle von mehr als 500 Millionen Euro jährlich verhindert werden. In der Fast-Food-Gastronomie ließen sich durch Wegfall des Mehrwertsteuerprivilegs für „Außer-Haus-Umsätze“ Mehreinnahmen von 520 Millionen Euro erzielen. Würde internationaler Umsatzsteuerbetrug energischer bekämpft, ließen sich geschätzte Ausfälle von jährlich 2,1 Milliarden Euro vermeiden.
Zudem hält der Rechnungshof die Vorstandsgehälter der deutschen Krankenkassen-Chefs von bis zu 300000 Euro im Jahr für übertrieben. „Sie übersteigen bisweilen die Empfehlungen der Sozialpartner sehr deutlich“, sagte Engels. „Hier ist das Gesundheitsministerium gefordert, eine entsprechende Gesetzesvorlage zu initiieren.“ Schließlich ginge es dabei um das Geld der 70 Millionen Versicherten - und denen drohen aktuell steigende Beiträge.
Die Gehälter von 90 Prozent der Vorsitzenden lägen über 130000 Euro. Das entspreche dem Höchstbetrag, den der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände empfohlen hätten. In einem Fall seien 700000 Euro Abfindung geflossen, obwohl dem Empfänger schwere Verfehlungen zur Last gelegt worden seien. In einem anderen Fall sei ein Beraterhonorar von rund einer Million Euro für die Anbahnung einer Fusion gezahlt worden, obwohl die Beratung gar nicht nötig gewesen sei. Anders als geplant, hätten die im Vergleich zu früher hohen Honorare nicht dazu geführt, dass die Kassenchefs aus der freien Wirtschaft rekrutiert werden. Sie kämen in der Regel von den Krankenkassen selbst.