Die Detailberatungen haben begonnen: Die FDP will den Gesundheitsfonds und Hartz IV abschaffen. Die Union sieht höchstens Gerechtigkeitslücken.
Hamburg. Zum Start ihrer Koalitionsverhandlungen hatten Union und FDP ganz in Harmonie geschwelgt. Gestern begannen in den ersten der insgesamt zehn Arbeitsgruppen in Berlin harte Sachverhandlungen. Und es zeigten sich die ersten Differenzen.
Der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr forderte CDU und CSU im ZDF auf, "vorbehaltlos" über den Gesundheitsfonds zu diskutieren. Wer bei dieser Finanzlage stur an dem Gesundheitsfonds festhalte, treibe die Krankenkassen in die Insolvenz. Die FDP fordert, den Gesundheitsfonds abzuschaffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte jedoch vor Beginn der Koalitionsgespräche gesagt, der Fonds solle "im Kern" unangetastet bleiben.
Ein weiterer Streitpunkt ist die Zukunft der Hartz-Regelungen. Auch diese Bestimmungen will die FDP abschaffen und durch ein "leistungsfreundlicheres und arbeitsplatzschaffendes Bürgergeld" ersetzen, sagte der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms der "Welt". So sollen alle Sozialleistungen, die sich aus Steuern finanzieren, zusammengefasst werden. Dazu zählt die Partei das Arbeitslosengeld II einschließlich der Leistungen für Wohnen und Heizung, das Sozialgeld, die Grundsicherung im Alter, die Sozialhilfe, den Kinderzuschlag und das Wohngeld.
Die Union ist allerdings gegen Pauschalierungen etwa beim Wohngeld, weil die Mieten von Region zu Region unterschiedlich hoch sind. "Da braucht sich keiner Sorgen zu machen. Da ist allenfalls der Versuch auf der Tagesordnung, massive Gerechtigkeitslücken zu beseitigen", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) dazu. Es gebe "eigentlich keinen Punkt", in dem Einigkeit mit dem Koalitionspartner FDP nicht möglich sei. Die Öffentlichkeit könne aber sicher sein, dass sein Bundesland bei den Verhandlungen in Berlin Garant der sozialen Gerechtigkeit sei.
Als schwierigster Punkt der Verhandlungen wird der Bereich Innere Sicherheit, Justiz und Datenschutz angesehen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer signalisierte aber auch hier Entgegenkommen. Die CSU sei schon immer für Bürgerrechte eingetreten und dagegen gewesen, "dass sich die Neugier des Staates immer tiefer in die Privatheit der Bürger hineinfrisst", sagte Ramsauer. Die FDP will im Gegensatz zur Union das BKA-Gesetz entschärfen und hält nichts von der Online-Durchsuchung von Computern.
Außer Streit in Sachfragen und Debatten über Finanznot zeichnen sich aber auch erste Verbesserungen für Familien ab. Die künftige Koalition will möglichst schon Anfang 2010 Familien mit Kindern stärker als geplant entlasten. Im Gespräch ist, den Kinderfreibetrag bei der Einkommenssteuer bereits vom 1. Januar an auf das Niveau für Erwachsene - 8004 Euro - pro Kind von bisher 6024 Euro anzuheben. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs bezeichnete die Überlegungen zu den Kinderfreibeträgen als "Weihnachtsgeschenk" der schwarz-gelben Koalition. Eine Erhöhung des Kinderfreibetrages würde drei bis vier Milliarden Euro kosten. Ob auch gleichzeitig das Kindergeld noch erhöht wird, ist offen. Dessen Anhebung von 164 auf 200 Euro würde weitere sechs bis sieben Milliarden Euro kosten. Das Regierungsprogramm soll bis Ende Oktober erarbeitet werden. Nach dem vorläufigen Zeitplan sollen alle wesentlichen Punkte bereits bis zu einer dreitägigen Klausur vom 16. bis zum 18. Oktober geklärt sein. Danach sollen die restlichen noch offenen Fragen binnen einer Woche gelöst werden. CDU und CSU wollen am 26. Oktober den Koalitionsvertrag in einer gemeinsamen Vorstandssitzung beschließen.