Der Finanzminister will die Kritik aus der Union nicht gelten lassen. Die Kürzung sei eine Entscheidung der gesamten Regierung gewesen.

Berlin/Hamburg. Die vom Bundesverfassungsgericht erzwungene Rückkehr zur alten Pendlerpauschale hat einen Streit um die politischen Konsequenzen ausgelöst. Die CSU legte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) den Rücktritt nahe. Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg sagte dem Hamburger Abendblatt: "Wer in einer steuerpolitischen Grundsatzfrage so neben der Spur liegt und trotzdem so verbohrt an seinem falschen Kurs festhält wie Steinbrück, muss sich die Frage politischer Lernfähigkeit stellen. Letzteres bleibt Grundvoraussetzung für jedes hohe Staatsamt."

Über Jahre hinweg habe Steinbrück "die berechtigten Anliegen der Pendler mit aller liebenswürdiger Eleganz, die ihm zu eigen ist, abgefertigt und alle guten Argumente beiseite gewischt", kritisierte zu Guttenberg. Dabei sei "das starrsinnige Festhalten an der Kürzung der Pendlerpauschale an Unsinnigkeit kaum zu überbieten" gewesen. Für Steinbrück gelte, "laut tönender Kompetenzanspruch steht zuweilen auf tönernen Füßen".

Der CSU-Generalsekretär forderte die Große Koalition auf, "sofort eine Trendumkehr einzuleiten hin zu breiten Steuerentlastungen". An der Fortführung der alten Pendlerpauschale mit 30 Cent pro Kilometer führe kein Weg vorbei. Darüber hinaus müsse "rasch ein Maßnahmenpaket für Steuerentlastungen noch vor der Bundestagswahl" geschnürt werden. Zu Guttenberg: "Die Pendlerpauschale mag ein ergänzender Teil sein, kann aber nicht weitere Steuersenkungen ersetzen, die wir dringend gegen die Wirtschaftskrise brauchen."

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) entgegnete, er habe "keine Abbitte zu leisten". Er verwies darauf, dass nach dem Urteil offensichtlich eine ersatzlose Streichung der Pauschale verfassungskonform gewesen wäre. Auch hätte man innerhalb des alten Systems in der Höhe der Erstattung variieren können. Die nun fällige Rückzahlung an Millionen Bürger habe mit der aktuellen Debatte über weitere Konjunkturpakete nichts zu tun, meinte Steinbrück. Die Kürzung sei eine Entscheidung der gesamten Bundesregierung sowie des Bundestags und des Bundesrats gewesen, in der auch die CSU vertreten sei. "Das war ja kein Hobby des Bundesfinanzministers, sondern eine Entscheidung aus dem Koalitionsvertrag heraus, die von den Verfassungsorganen umgesetzt wurde."

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel begrüßte das Urteil als "Beitrag zur gerechten Verteilung der Steuerlasten", zu dem die Bundesregierung "nicht bereit" gewesen sei. "Die Politik der maximalen Belastung der Bürger ist nun auch vor Gericht gescheitert, politisch sowieso, weil sich jetzt bitter rächt, dass den Bürgern die für die Konjunktur so dringend benötigte Kaufkraft fehlt", sagte er dem Abendblatt. "Wenn die Merkel-Steinmeier-Regierung jetzt nicht umkehrt, wird ihr als Nächstes der Wähler ein Scherbengericht bereiten", sagte Niebel. Allerdings sei es "eine Frechheit der Kanzlerin, wenn sie die vom Bundesverfassungsgericht erzwungenen Steuerrückzahlungen jetzt als Merkel-Konjunkturspritze verkaufen will".

Krista Sager, stellvertretende Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen, warnte im Gespräch mit dem Abendblatt, das Urteil dürfe nicht bedeuten, "dass das Autofahren künftig noch stärker prämiert wird". Sinnvoll sei eine Absenkung der Pauschale auf 15 Cent pro Kilometer - aus ökologischen Gründen. Solange es sie gebe, müsse aber jeder gefahrene Kilometer geltend gemacht werden können. Alles andere sei reine Willkür. Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler bejubelte die Entscheidung: "Spiel, Satz und Sieg für die Steuerzahler." Er forderte eine Erhöhung der Entfernungspauschale.


Wie viel bekommen Pendler zurück? Weitere Berechnungen auf www.abendblatt.de/kilometerpauschale