Alle 17 AKW in Deutschland wurden überprüft. Der Sicherheitstest stellt den Weiterbetrieb der Nord-Meiler Brunsbüttel und Krümmel infrage.
Berlin. Das endgültige Aus für die Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel rückt näher. Die beiden Meiler sind nur unzureichend gegen Flugzeugabstürze geschützt, wie die in den letzten Wochen durchgeführten Stresstests der 17 deutschen Reaktoren ergeben haben. Während die Hülle um Krümmel bei mittleren Passagiermaschinen ein Problem darstellt, würde in Brunsbüttel schon ein kleines Flugzeug reichen, um die Sicherheit des Meilers zu gefährden. Das haben die Messergebnisse der Reaktorsicherheitskommission ergeben, die gestern an Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) übergeben wurden.
Die schleswig-holsteinische SPD sieht sich hierdurch in ihrem Kurs bestätigt. "Die alten Meiler müssen endgültig abgeschaltet werden, angefangen bei Brunsbüttel und Krümmel", sagte Parteichef Ralf Stegner dem Abendblatt. "Das Gutachten der Reaktorsicherheitskommission zeigt, dass wir mit dieser Forderung richtig liegen."
Auch die schwarz-gelbe Landesregierung strebt eine endgültige Stilllegung der beiden Reaktoren an. "Festzustellen ist, dass der Bericht viele Positionen der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht in wesentlichen Punkten bestätigt", sagte der für die Atomaufsicht zuständige Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos). Ein Regierungssprecher bestätigte auf Abendblatt-Anfrage, dass Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) weiterhin erreichen wolle, dass Brunsbüttel und Krümmel nicht wieder ans Netz gehen. In jedem Fall gelte, dass die beiden Atomkraftwerke auch nach Ablauf des dreimonatigen Moratoriums am 15. Juni abgeschaltet bleiben, weil sie nach wie vor nicht die atomrechtlichen Voraussetzungen erfüllen würden, so der Sprecher weiter. Deshalb seien sie auch schon vor Beginn des Moratoriums stillgelegt worden. Das endgültige Aus für Brunsbüttel deutete gestern auch Bundesumweltminister Röttgen an. Mit Biblis A und B sowie Philippsburg gehört der Reaktor zu jenen Anlagen, die das höchste Risiko eines Angriffs aus der Luft tragen. Die Kraftwerke Unterweser, Isar 1 und Neckarwestheim sind nur etwas besser geschützt, so das Ergebnis der Kommission. Davor könne die Politik nicht die Augen verschließen, und daran müsse die "politische Entscheidung anknüpfen", so Röttgen. Damit deutete der Minister indirekt an, dass besonders die sieben im Rahmen des Atom-Moratoriums seit Mitte März stillstehenden Meiler nicht wieder ans Netz gehen dürften. Röttgen betonte jedoch, die mangelnde Sicherung gegen Flugzeugabstürze sei keine neue Erkenntnis, sondern bereits bekannt.
Neu entfacht wurde die Diskussion um einen endgültigen Atomausstieg. "Anders als Umweltminister Röttgen sagt, ist der Bericht mehr denn je ein Grund, endlich so schnell wie möglich ganz aus der Atomenergie auszusteigen und mit den ältesten Meilern zu beginnen", sagte SPD-Landeschef Stegner. Röttgen selbst hatte gesagt, dass er die Sicherheitsprobleme für nicht so schlimm erachte, dass ein Sofortausstieg aus der Atomkraft nötig wäre. Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, warnte die Bundesregierung vor Tricksereien und verlangte einen "schnellen, verbindlichen und endgültigen Ausstieg". Dieser sei bis 2017 möglich, "wenn die dafür nötigen Rahmenbedingungen ab sofort geschaffen werden". Den Bericht der Reaktorsicherheitskommission stellte Roth grundsätzlich infrage: "Das unklare Ergebnis der Reaktorsicherheitskommission zur Abschaltung alter Atomkraftwerke ist nicht weiter überraschend", sagte die Parteichefin.
Die Aussage Röttgens, die Risiken von Flugzeugabstürzen seien schon vor dem Beschluss zur Laufzeitverlängerung bekannt gewesen, offenbare "die ganze Verantwortungslosigkeit der schwarz-gelben Politik".