Noch dümpelt die US-Schuldenkrise im Schatten des Euro-Dramas dahin. Doch das wird sich bei 15 Billionen Dollar Staatsschulden bald ändern.
Washington. Ausführlich, detailliert, beinahe genüsslich verfolgen US-Medien derzeit jede neue Wendung im nicht endend wollenden Euro-Schuldendrama . Tenor: Das alte Europa steht am Abgrund. Wer weiß, ob der Euro überhaupt noch zu retten ist – Angst, aber ein Hauch von Schadenfreude sind dabei. Es scheint, als seien die eigenen Sünden fast vergessen.
Doch lange wird das nicht andauern: Schon braut sich in Washington ein neues Drama im Kampf gegen die derzeit 15 Billionen Dollar Staatsschulden zusammen. Ein neues Kapitel im Showdown zwischen Regierung und der Fundamental-Opposition der Republikaner steht bevor.
Nächste Woche, spätestens bis zum Mittwoch (23. November) - ausgerechnet einen Tag vor dem nationalen Feiertag Thanksgiving - soll ein „Super-Komitee“ aus Republikanern und Demokraten Vorschläge präsentieren, wie das Mega-Defizit der größten Volkswirtschaft der Welt in den nächsten zehn Jahren reduziert werden soll.
Dass verdammt viel auf dem Spiel steht, belegt ein Blick auf die Zahlen. Auf sage und schreibe knapp 12 Billionen Euro belaufen sich die Schulden des amerikanischen Staates – das ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Dagegen wirken die 1,8 Billionen Außenstände Italiens fast wie Peanuts. Hinzu kommt: Die Sucht zum Schuldenmachen im US-Etat ist ungebrochen. Dieses Jahr beläuft sich das Defizit auf 9,6 Prozent (Italien: vier Prozent). Selbst mittelfristige Prognosen sagen lediglich einen sehr langsamen Abbau voraus.
Zwar gilt es als eines der am besten gehüteten Geheimnisse Washingtons, was die jeweils sechs Republikaner und sechs Demokraten hinter verschlossenen Türen ausbaldowern. Doch Skepsis ist angesagt, ein echter Befreiungsschlag ist nicht in Sicht. Insider fürchten, dass die verfeindeten Parteien erneut keinen Ausweg aus ihrer Pattsituation finden. „Es gibt keine Anzeichen von Fortschritt“, meint die „Washington Post“.
Barack Obama – ein Jahr vor den Präsidentenwahlen ohnehin politisch angeschlagen – versucht bereits vorzubeugen und allzu große Hoffnungen zu dämpfen. „Es gibt keine magische Formel“, ließ er aus Hawaii verlauten – aber das wissen die Amerikaner schon seit langem.
Zwar hoffe Obama, dass sich beide Seiten doch noch einigen. Doch unter der Hand heißt es bereits, das Weiße Haus bereite sich auf einen Flop vor.
Obama geht es vor allem um eins: Er will eine neuen Finanzkrimi, der das Vertrauen der Märkte und der Wähler erschüttert, unter allen Umständen vermeiden.
Noch sind die Schrecken des letzten Sommers nicht vergessen: Im August waren die USA nur knapp an einer Staatspleite vorbeigeschrammt. Erst in buchstäblich letzter Minute konnten sich Republikaner und Demokraten auf eine Erhöhung des Schuldenlimits einigen.
Doch weil sich die Streithähne nicht auf eine wirklich langfristige Lösung des Schuldenproblems verständigen konnten, stufte die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) die Kreditwürdigkeit der USA herab – mit der Begründung, dass die politische Klasse nicht handlungsfähig sei. Erstmals in der Geschichte hatte die „Weltmacht Nummer eins“ kein Top-Rating „AAA“ – ein nationaler Schock für das Land.
Um doch noch einen Weg aus dem Debakel zu weisen, riefen beide Seiten wenigstens das „Supercommittee“ ins Leben – als eine Art Rettungsanker. Bis Thanksgiving sollten Sparvorschläge zwischen 1,2 und 1,5 Billionen Dollar für die nächsten zehn Jahre erarbeitet werden. Die Besonderheit: Sollte es keine Einigung geben, würden automatisch noch schmerzhaftere Einsparungen in Kraft treten – auch bei den Militärs, deren Etat bisher stets tabu war. Verteidigungsminister Leon Panetta schlug bereits Alarm: Die Armee könnte dann zum „Papiertiger“ werden.
In Wirklichkeit geht es um mehr als Sparen. Die eigentliche Aufgabe des paritätisch besetzten Gremiums sollte es sein, die politischen und ideologischen Verhärtungen zwischen Republikanern und Demokraten aufzuweichen.
Obama betont immer wieder, er sei zu schmerzhaften Einschnitten im Sozialsektor bereit – wenn die Republikaner ihren Widerstand gegen höhere Steuern für Reiche aufgeben. Der Streit dauert bereits seit Jahren – es geht um die finanzpolitische Handlungsfähigkeit der USA.