Über den Berliner Kurs in der Europapolitik gibt es in Brüssel immer wieder Fragen. Merkel stellt nun klar: Griechenland behält den Euro.
Brüssel. Ungeachtet der Schuldenkrise muss Griechenland nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Eurowährung behalten. "Ich sehe die Notwendigkeit, dass Griechenland ein Teil des Euroraums bleibt", sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch in Brüssel nach einem Treffen mit den 27 EU-Kommissaren.
Angesichts einer verschlechterten Lage bei den europäischen Banken versicherte die Kanzlerin, dass Deutschland zu Kapitalisierungsmaßnahmen bereit sei. "Die deutsche Bundesregierung (...) steht bereit, wenn notwendig, eine solche Kapitalisierung der Banken durchzuführen."
Merkel fügte hinzu: "Ich denke, die Zeit drängt – deshalb sollte das auch schnell entschieden werden." Es seien zunächst die Banken selbst und dann erst die Staaten gefragt. Falls diese es nicht aus eigener Kraft schafften, könnte der Krisenfonds EFSF einspringen.
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Das hoch verschuldete und krisengeschüttelte Griechenland müsse die Chance bekommen, wieder auf die Beine zu kommen. Die Bundesregierung warte den Überprüfungsbericht der sogenannten Troika ab, der Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds angehören. Ob der Bericht bis zum nächsten EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober in Brüssel vorliegen werde, sei noch offen.
Mit Blick auf die Vereinbarungen des Euro-Krisengipfels vom 21. Juli für ein zweites Griechenland-Hilfspaket sagte die Kanzlerin: "Wir müssen schauen, ob die aktuellen Wirtschaftszahlen Griechenlands noch zu diesem Beschluss passen." Für eine solche Beurteilung müsse aber der Troika-Bericht vorliegen.
Es wird seit längerem darüber spekuliert, dass das zweite Hilfspaket von 109 Milliarden Euro, das auch eine zusätzliche freiwillige Beteiligung von Banken und Versicherungen umfasst, angesichts des Wirtschaftseinbruchs unzureichend sein könnte.
Merkel wehrte nach eine Visite im Europaparlament gegen Vorwürfe, wonach sich die Billigung der Beschlüsse vom Juli zu lange hinzieht: „Wenn das bis Mitte Oktober von allen Mitgliedstaaten umgesetzt ist, ist das ein wichtiges Signal.“ Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen in der Volksvertretung, Guy Verhofstadt, bemängelte eine fehlende Gesamtstrategie der „EU-Chefs“ im Kampf gegen die Schuldenkrise. „Die Wirtschafts- und Finanzkrise schürt anti-europäische Stimmung auf dem Kontinent.“
Diplomaten sagten, die Klarstellungen der CDU-Politikerin seien willkommen. Angesichts von Debattenbeiträgen habe es gelegentlich Zweifel an der deutschen Position gegeben. So hatte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) eine Insolvenz Griechenlands als letzte Konsequenz ins Spiel gebracht.
Merkel unterstützt EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei dem umstrittenen Vorhaben, von 2014 an eine Steuer auf Finanztransaktionen einzuführen. Beim nächsten Treffen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) am 3. und 4. November dürfte das Reizthema zur Sprache kommen. In der EU sind Großbritannien, Niederlande und Schweden ablehnend oder skeptisch, Frankreich und Deutschland sind dafür.
Merkel sagte, sie sei mit den Fortschritten bei der Schaffung einer Wirtschaftsregierung für die Eurozone zufrieden. „Das Tempo ist gut.“ Zu diesem Vorhaben gehören nach dem Willen Merkels und von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy auch Schuldenobergrenzen in den 17 Euro-Staaten. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy will nach voraussichtlich beim nächsten Gipfel Mitte Oktober lediglich erste Vorschläge machen, Entscheidungen sollen erst später getroffen werden.
Barroso pochte im Zusammenhang mit der Wirtschaftsregierung auf die angestammten Rechte der EU-Kommission – nur sie kann in der EU Gesetzesvorschläge unterbreiten – und den Zusammenhalt der gesamten EU. „Wir müssen Parallelstrukturen vermeiden.“ Wie Merkel sprach sich Barroso für weitere Änderungen des EU-Vertrages aus, falls dies die europäische Integration voranbringe.
Besuche von Kanzlern bei der Brüsseler EU-Behörde sind ausgesprochen selten. Nach Angaben der Kommission hatte zuletzt im Jahr 2000 der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) Barrosos Amtsvorgänger Romano Prodi besucht.