Massenstreiks legen am Mittwoch Griechenland lahm. Laut IWF muss das zweite Hilfspaket für das verschuldete Land überarbeitet werden.

Berlin/Brüssel. Ein landesweiter Streik der Staatsbediensteten hat das öffentliche Leben in Griechenland am Mittwoch weitgehend lahmgelegt. Mit dem 24-stündigen Ausstand protestierten die Angestellten im öffentlichen Dienst gegen die angekündigten Sparmaßnahmen der Regierung. In der Hauptstadt Athen gingen mindestens 16.000 Demonstranten gegen die jüngsten Pläne zum Schuldenabbau auf die Straße, in Saloniki versammelten sich rund 10.000 Menschen zu einer Protestkundgebung.

Unterdessen erklärte ein Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF), das im Juli vereinbarte zweite Hilfspaket für Griechenland müsse wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage und der nur langsam vorankommenden Reformen überarbeitet werden. Das bedeute aber nicht zwingend, dass die Inhaber von griechischen Anleihen mit größeren Verlusten rechnen müssten, erklärte der Leiter des Europa-Programms des IWF, Antonio Borges.

Da für Griechenland bis Dezember keine größeren Schuld-Rückzahlungen anstünden, bestehe auch kein Grund zur Eile bei der Entscheidung über die nächste Tranche an Krediten, erklärte Borges.

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Während des Streiks am Mittwoch hielt in den staatlichen Krankenhäuser nur eine Notbesetzung die Stellung. Neben Lehrern und Finanzbeamten legten auch die Anwälte des Landes die Arbeit nieder. Die Justizbehörden verschoben deshalb einen Prozess gegen acht mutmaßliche Mitglieder der Terrorgruppe Revolutionärer Kampf. Die Organisation trat 2003 erstmals in Erscheinung und soll 2007 die US-Botschaft in Athen mit einer Panzerfaust angegriffen haben. Zudem werden der Gruppe ein Bombenanschlag auf die Athener Börse und ein Angriff auf einen Polizisten zur Last gelegt.

Die Fluglotsen schlossen sich dem Streik ebenfalls an. Alle Flüge von und nach Griechenland wurden vorerst gestrichen. Auch die Angestellten der Radio- und Fernsehstationen erschienen nicht zum Dienst. Die Mitarbeiter der Nahverkehrsbetriebe wollten ihre Arbeit nur am Morgen und am Abend einstellen.

Die Staatsbediensteten protestieren gegen die Suspendierung von 30.000 Mitarbeitern bei nur eingeschränkter Bezahlung. Nach Gehalts- und Pensionskürzungen ist die Maßnahme ein weiterer Teil des Sparpakets der Regierung. Die Demonstrantin Irini Sypsomou-Arapogianni warf der Regierung bei einer Kundgebung in Athen vor, nicht entschieden genug gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. Ihrer Meinung nach habe die Führung des Landes das Ziel aus den Augen verloren. „Niemand weiß, was los ist. Jeden Tag sagen sie etwas anderes. Es ist alles so unklar“, sagte die 57-jährige Angestellte im Finanzministerium. „Ich weiß nicht, wo das alles hinführen soll.“

Die Finanzexperten der sogenannten Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF hatten zuvor angekündigt, über die Genehmigung der nächsten Tranche des Hilfspakets im Umfang von acht Milliarden Dollar (5,8 Milliarden Euro) im Laufe dieses Monats zu entscheiden. Der Protest in Athen richtete sich auch gegen die internationalen Gläubiger Griechenlands. Es sei fraglich, ob die harten Sparmaßnahmen sich auf lange Sicht wirklich auszahlten, hieß es aus den Reihen der Demonstranten. „Wenn diese Proteste nichts bewirken, dann haben wir unser Schicksal verdient“, sagte Zacharis Zacharia. „Alle müssen zahlen, außer jenen, die uns an diesen Punkt gebracht haben.“

Renten und Gehälter können laut Finanzminister noch bis Mitte November gezahlt werden Finanzminister Evangelos Venizelos sagte am Dienstag, Griechenland könne noch bis Mitte November Renten und Gehälter zahlen. Zuvor hatte es geheißen, ohne weitere internationale Kredite sei Griechenland bereits Mitte Oktober zahlungsunfähig. Die Troika verlangt von Athen im Gegenzug für die Überweisung der nächsten Tranche weitere Sparmaßnahmen. Neben der Suspendierung zahlreicher Angestellter im öffentlichen Dienst hat die Regierung auch die Einführung einer zusätzlichen Grundsteuer angekündigt. Mittlerweile regt sich jedoch selbst in den Reihen der regierenden Sozialisten Widerstand gegen die Einführung neuer Steuern. Griechenland erlebt derzeit eine schwere Rezession. Die Arbeitslosenquote ist angesichts zahlreicher Insolvenzen auf über 16 Prozent gestiegen. (abendblatt.de/dapd)