In Griechenland steht das öffentliche Leben still. Staatsangestellte sind in einen 24-stündigen Streik getreten, auch Flüge fallen aus.
Berlin/Brüssel. Sie protestieren gegen die Sparmaßnahmen der Regierung: Angestellte im öffentlichen Dienst treten am Mittwoch in einen 24-stündigen Streik. In den staatlichen Krankenhäuser hält nur eine Notbesetzung die Stellung und Anwälte, Lehrer sowie Finanzbeamte legten die Arbeit ganz nieder. Auch die Fluglotsen schlossen sich dem Streik an. Alle Flüge von und nach Griechenland wurden vorerst gestrichen.
Auch die Angestellten der Radio- und Fernsehstationen erschienen nicht zum Dienst. Die Mitarbeiter der Nahverkehrsbetriebe wollten ihre Arbeit nur am Morgen und am Abend einstellen. Für den Lauf des Tages sind in der Hauptstadt Athen Demonstrationen geplant.
Die Staatsbediensteten protestieren gegen die Suspendierung von 30.000 Mitarbeitern bei nur eingeschränkter Bezahlung. Nach Gehalts- und Pensionskürzungen ist die Maßnahme ein weiterer Teil des Sparpakets der Regierung.
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Die Finanzexperten der sogenannten Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds hatten zuvor angekündigt, über die Genehmigung der nächsten Tranche des Hilfspakets im Umfang von acht Milliarden Dollar im Laufe dieses Monats zu entscheiden. Finanzminister Evangelos Venizelos sagte am Dienstag, Griechenland könne noch bis Mitte November Renten und Gehälter zahlen. Zuvor hatte es geheißen, ohne weitere internationale Kredite sei Griechenland bereits Mitte Oktober zahlungsunfähig.
Die Troika verlangt von Athen im Gegenzug für die Überweisung der nächsten Tranche weitere Sparmaßnahmen. Neben der Suspendierung zahlreicher Angestellter im öffentlichen Dienst hat die Regierung auch die Einführung einer zusätzlichen Grundsteuer angekündigt. Mittlerweile regt sich jedoch selbst in den Reihen der regierenden Sozialisten Widerstand gegen die Einführung neuer Steuern.
Griechenland erlebt derzeit eine schwere Rezession. Analysten gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 5,5 Prozent zurückgehen wird. Die Arbeitslosenquote ist angesichts zahlreicher Insolvenzen auf über 16 Prozent gestiegen.
Zur dauerhaften Rettung Griechenlands wird in der Eurozone „intensiv“ über einen Schuldenschnitt diskutiert. Das bestätigte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag nach einem EU-Ressortcheftreffen in Luxemburg. Die Troika von EZB, IWF und EU-Kommission müsse feststellen, ob die Schuldentragfähigkeit Athens noch gegeben sei, sagte Schäuble. Und das Ergebnis könne negativ sein. Es sei deswegen klar, dass Banken und Fonds im Rahmen eines zweiten Rettungspaketes womöglich einen Schnitt über die im Juli vereinbarten 21 Prozent hinaus hinnehmen müssten. Ganz klar sei aber auch, dass Griechenland in der Eurozone bleiben wolle und werde.
Damit schloss Schäuble auch einen baldigen Schuldenschnitt für die Hellenen nicht mehr aus. Notwendig sei eine glaubhafte Reduzierung der Staatsschulden, damit eine dauerhaft tragfähige Lösung zustande komme. Experten halten einen „Haircut“ von 50 bis 60 Prozent für notwendig, um den Hellenen die wirtschaftliche Wiederbelebung zu ermöglichen. Die Banken haben aber bereits ihren Widerstand angekündigt.
Um die Ansteckungsgefahr für diesen Fall einzudämmen, drängte Schäuble seine Kollegen zu raschen Maßnahmen zur Sicherung ihrer Banken. Enttäuscht zeigte er sich, dass die Minister nicht schon am Dienstag spezifische Bankenrettungspläne in Luxemburg präsentierten.
Hebel für EFSF wird geprüft
Aber auch der Rettungsfonds EFSF soll mehr Feuerkraft erhalten, um einen Flächenbrand zu bekämpfen. Die Arbeitsgruppe der Eurogruppe wurde beauftragt, die Vor- und Nachteile eines sogenannten Finanzhebels für den EFSF zu prüfen und zu präsentieren.
Der wahrscheinlichste Weg wäre die Absicherung des Ausfallrisikos von Staatsanleihen. Durch die sogenannte Versicherungslösung könnte die Wirkkraft des Fonds auf bis zu zwei Milliarden Euro aufgepumpt werden. Allerdings würde dadurch auch das Risiko für die Garantien der Mitgliedsstaaten steigen. Aber „das größte Risiko ist es, kein Risiko einzugehen“, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Laut Diplomatenkreisen wird eine Grundsatzentscheidung zum Hebel bereits für den EU-Gipfel in zwei Wochen angepeilt.
Die Entscheidung über die nächste Tranche an Notkrediten für Athen aus dem laufenden Paket wurde am Dienstag auf Ende Oktober verschoben, weil sich die Griechen bis dahin selbst über Wasser halten können und die Prüfung der laufenden Sparbemühungen noch nicht abgeschlossen ist. Athen sei nach der jüngsten Verschärfung seiner Sparmaßnahmen auf gutem Wege, die Bedingungen zu erfüllen, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn.
Teures Finnen-Pfand
Ein langwieriges Problem konnten die Europartner in der Nacht zum Dienstag lösen: Endlich verständigten sie sich auf die Modalitäten für das sogenannte Finnen-Pfand: Die Absicherung, die Helsinki seit Monaten für weitere Griechenland-Hilfe einfordert, wurde durch ein kompliziertes Verfahren so teuer gemacht, dass andere Länder die Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen werden. Athen erfüllte unterdessen schon die finnischen Wünsche und stellt dem Nordland Anleihen in Höhe von 880 Millionen Euro aus, wie Venizelos nach seiner Rückkehr vom Finanzministertreffen in Athen bekannt gab. (dapd/abendblatt.de)