Gaddafi hat die Kontrolle über den Osten Libyens verloren. Doch seine Gegner sind zerstritten. Sie gründeten zwei Alternativ-Regierungen.
Berlin. Die Opposition in Libyen hat unter der Führung des früheren Justizministers des Landes eine Übergangsregierung ausgerufen. Mustafa Abdul Dschalil habe sich zusammen mit Stammesfürsten auf diese Regierung geeinigt, heißt es. Dschalil zufolge soll sie drei Monate amtieren und Wahlen vorbereiten. Allerdings verweigert ein Teil der Aufständischen Dschalil die Gefolgschaft und gründete am Sonntag in Bengasi, einem Zentrum der Demokratiebewegung im Osten des Landes, einen libyschen Nationalrat.
US-Außenministerin Hillary Clinton hat die Bereitschaft ihrer Regierung signalisiert, die libysche Opposition zu unterstützen. Washington „streckt die Hand in Richtung jener vielen verschiedenen Libyer aus, die sich im Osten organisieren“, sagte sie am Sonntag vor ihrer Abreise zur Auftaktsitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf: „Wir stehen bereit, jedem, der sie von den Vereinigten Staaten erbittet, jede mögliche Unterstützung zu gewähren." Er sei aber noch viel zu früh zu sagen, wie sich die Dinge in dem nordafrikanischen Krisenland entwickeln werden. „Wir sehen gerade einmal den Anfang von dem, was Gaddafi folgen wird“, so Clinton. „Zuerst müssen wir das Ende seines Regimes erleben.“
Machthaber Muammar al-Gaddafi entgleitet nach tagelangen Kämpfen zusehends die Macht über das Land. Seine Gegner haben den Osten des Landes schon unter Kontrolle und übernahmen am Sonntag die Kontrolle über die strategisch wichtige Stadt Sawija unweit von Tripolis. Regierungstreue Soldaten hatten dort ein Blutbad angerichtet, berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Ein Ägypter berichtete, dass Soldaten von Haus zu Haus gegangen seien und auf Eingangstüren gefeuert hätten, damit die Menschen ihre Häuser nicht verließen.
Auch in der Hauptstadt Tripolis bröckelt inzwischen Gaddafis Macht. Seine Sicherheitskräfte zogen sich am Sonnabend aus Teilen der Stadt zurück. Das staatliche Fernsehen zeigte zwar Bilder von Anhängern Gaddafis auf dem Grünen Platz im Zentrum der Stadt. Journalisten zufolge waren es aber gerade mal 200.
Auch aus dem Ausland wächst der Druck auf Gaddafi. Präsident Barack Obama hatte am Freitag, nachdem der letzte US-Bürger das Land verlassen hatte, Sanktionen gegen Libyen angeordnet. Das Vermögen und der Immobilienbesitz des Staatschefs Muammar al Gaddafi und vier seiner Söhne wurde in der Nacht zum Sonnabend mit sofortiger Wirkung eingefroren. Die libysche Führungsschicht soll auf ausländischen Konten Milliardenbeträge deponiert haben, die aus den Ölgeschäften des Landes stammen.
Auch der UN-Sicherheitsrat beschloss einstimmig Sanktionen gegen Gaddafi und seine Familie. Selbst Gaddafis engster Verbündeter in Europa, Italien, stellt sich inzwischen gegen ihn. „Wir habe wohl den Zeitpunkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt“, sagte Italiens Außenminister Fanco Frattini. Die Freundschaft und Zusammenarbeit mit der einstigen Kolonie sei „praktisch aufgehoben“.
Status und Legitimität der Übergangsregierung blieben zunächst unklar. Allerdings erkannte der libysche Botschafter in den USA, Ali Audschali, sie umgehend als rechtmäßig an. „Wir wollen diese Regierung als Übergangsregierung unterstützen bis zur Befreiung von ganz Libyen, was hoffentlich bald der Fall sein wird“, sagte Audschali.
Die Uno geht inzwischen von mehreren Tausend Toten in Libyen aus, etwa 100.000 Menschen sind nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge in der vergangenen Woche geflohen. Die Truppen Gaddafis verüben nach Informationen der Vereinten Nationen Massaker, folterten Demonstranten und sperrten Regimegegner willkürlich ein. Deutschland, Großbritannien und Frankreich flogen mit Militärmaschinen Hunderte Ausländer aus Libyen aus.