US-Präsident Barack Obama reichte einem jahrzehntelang Geächteten die Hand. Libyens Staatschef Gaddafi fühlte sich geehrt. Sein Land hat der Terrorunterstützung längst abgeschworen. Gaddafi selbst hatte jedoch wieder einen schrillen Auftritt samt Beduinenzelt.
L'Aquila. „Obama – schön, Sie zu treffen.“ „Angenehm, Gaddafi mein Name.“ So könnte es gewesen sein. Ein einfacher Händedruck sorgte für ein politisches Nachbeben beim G8-Gipfel in Italien. Als sich die Mächtigsten der Welt am Donnerstagabend zum sogenannten „Familienfoto“ versammelten, reichte US-Präsident Barack Obama auch einem lange Geächteten die Hand: dem libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi. Jahrzehntelang wäre eine solche Begrüßung Gaddafis, der erneut in schillernde Landestracht gehüllt auftrat, undenkbar gewesen.
Gaddafi war der Ausgestoßene schlechthin auf dem internationalen Parkett. Obamas Vor-Vorgänger Ronald Reagan bezeichnete ihn einst als den „verrückten Hund des Nahen Ostens“, was die bilateralen Beziehungen nicht gerade förderte. Doch zuletzt setzte Gaddafi alles daran, das Image des Terroristen-Unterstützers loszuwerden, das fast 40 Jahre lang an ihm und seinem Staat klebte.
Die Liste der unrühmlichen Taten mit libyschem Hintergrund ist lang: Gaddafi beherbergte Abu Nidal, den Drahtzieher der Olympia-Morde von München 1972. Er provozierte amerikanische Luftangriffe mit einem libyschen Anschlag auf eine Diskothek in West-Berlin, bei dem 1986 zwei amerikanische Soldaten starben. Außerdem bekannte sich Libyen zu dem Anschlag auf den PanAm-Jumbo über Lockerbie 1988, bei dem 270 Menschen ums Leben kamen.
Doch zahlte Libyen inzwischen 2,7 Milliarden Dollar (1,7 Milliarden Euro) Entschädigung an Lockerbie-Hinterbliebene. Diese Geste und Gaddafis Bereitschaft, dem libyschen Wettrüsten abzuschwören, führten schließlich dazu, dass die US-Sanktionen aufgehoben wurden. Gaddafi konnte sich damit auf den Weg in die Mitte der Staatenlenker machen. Als Präsident der Afrikanischen Union durfte er nun sogar erstmals an einem großen globalen Gipfeltreffen teilnehmen.
Im April war Obama noch von seinen republikanischen Gegnern dafür gescholten worden, dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez die Hand gereicht und dabei gelächelt zu haben. Diesmal entschied sich Obama für einen etwas anderen Gesichtsausdruck: höflich und freundlich, aber nicht wirklich lächelnd.
Gaddafi war auf dem Weg zum Gipfel in Italien mitten auf der Autobahn ausgestiegen und mit einem weißen Sonnenschirm etwas an den Feldern entlanggewandelt. Wie italienische Medien berichteten, habe er damit seine weibliche Leibgarde in Panik versetzt. Wie üblich kam er dann zu spät zum Gipfel, aber gerade noch rechtzeitig zum festlichen Abendessen mit den anderen Staatschefs. Sein schon traditionelles Zelt war bereits in den vergangenen Tagen abseits der offiziellen G8-Unterkunft für die Staatschefs aufgebaut worden.