Grünen-Chefin Claudia Roth kritisiert das Vorgehen der EU gegen Gaddafi. Im Hamburger Abendblatt spricht sie von einem “Armutszeugnis“.

Berlin. Die Parteichefin der Grünen, Claudia Roth, hat das Vorgehen der EU gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi in Libyen scharf kritisiert. "Es ist ein bemerkenswertes Armutszeugnis für die EU-Außenpolitik, dass sie hinter dem UN-Sicherheitsrat hinterherhinkt", sagte Roth dem "Hamburger Abendblatt". Die EU müsse jetzt schleunigst mit einer Stimme "klare Kante" zeigen und jegliche Unterstützung "definitiv beenden."

+++ Abendblatt-Interview mit Claudia Roth +++

Wenn es um die Abwehr von Flüchtlingen und den Einsatz der europäischen Grenzschutztruppe Frontex gehe, sei die EU plötzlich sehr schnell und trete und Aktion, kritisierte Roth. Anstatt ihrer humanitären Verpflichtung gegenüber vielen Menschen in höchster Not nachzukommen, schotte sich die EU als Festung ab. "Das ist ein beschämendes Ungleichgewicht in der politischen Handlungsfähigkeit und Heuchelei in Bezug auf Menschenrechte und Demokratie", betonte die Parteichefin. Dafür trage auch die Bundesregierung eine gehörige Portion Verantwortung.

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Nach Verabschiedung der Uno-Sanktionen gegen die libysche Führung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den einstimmigen Beschluss des Uno-Sicherheitsrats begrüßt und Muammar al-Gaddafi zur Machtaufgabe aufgefordert. Der Beschluss sei "ein starkes Signal an Oberst Gaddafi und andere Despoten, dass Menschenrechtsverletzungen nicht ungesühnt bleiben“, sagte Merkel am Sonntag. Die Einstimmigkeit des Beschlusses verdeutliche die Geschlossenheit der Staatengemeinschaft "in der Verurteilung der Schandtaten Gaddafis“. "Es ist höchste Zeit für ihn zu gehen“, erklärte Merkel. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Sanktionen. Die vom Sicherheitsrat beschlossenen Maßnahmen seien "die erhoffte klare Antwort der Weltgemeinschaft auf die Brutalität der libyschen Führung“, sagte Westerwelle. Die Prüfung der Gewalt in Libyen durch den Internationalen Strafgerichtshof zeige, dass, wer Verbrechen gegen das eigene Volk verübe, persönlich zur Verantwortung gezogen werde.

Lob für die Sanktionen der Uno gab es auch von EU-Außenministerin Catherine Ashton. "Es wird von der internationalen Gemeinschaft keine Straffreiheit für begangene Verbrechen geben“, sagte sie. Gaddafi und die libyschen Behörden wüssten, dass "ihre inakzeptablen und skandalösen Taten“ Konsequenzen haben werden. Allerdings verlangte sie im Gegensatz zu Merkel sowie den Regierungen in Paris und Washington nicht direkt, dass Gaddafi sofort die Macht abgeben müsse. Ashton forderte Gaddafi lediglich auf, sich für eine friedliche Lösung einzusetzen und auf sein Volk zu hören. Diese Zurückhaltung erklärt sich aus der Tatsache, dass Ashton für alle 27 EU-Mitglieder sprechen muss. Mehrere Staaten dringen aus Sorge vor den Konsequenzen eines Zusammenbruchs des Staates in Libyen auf Zurückhaltung im Umgang mit Gaddafi. Vor allem Italien und Malta fürchten einen Ansturm von Flüchtlingen. Italien ist zudem abhängig von Öl- und Gaslieferungen aus Libyen.

Der Uno-Sicherheitsrat verhängte am Samstag ein Waffenembargo gegen Libyen und beschloss Reiseverbote und Kontosperrungen. Von beiden Strafmaßnahmen betroffen sind Gaddafi selbst sowie vier seiner Söhne und seine Tochter. Für weitere Söhne Gaddafis gilt nur das Reiseverbot, das insgesamt 16 Libyer betrifft. Der Sicherheitsrat trug dem Internationalen Strafgerichtshof zudem auf, die Gewalttaten in Libyen zu prüfen, weil der gewaltsame Tod von mehr als tausend Zivilisten einem "Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen“ könne.

Unterdessen hat die libysche Opposition im Osten des Landes den früheren Justizminister Mustafa Abdel-Jalil zum Chef einer Übergangsregierung ernannt. Das sagte ein Mitglied des Stadtrats von Bengasi am Sonntag. Justizminister Abdel-Jalil hat die von Staatschef Muammar al-Gaddafi angeordnete blutige Niederschlagung der Proteste scharf kritisiert. Wie groß die Unterstützung für Abdel-Jalil ist, war zunächst unklar. Der Osten Libyens ist fast vollständig in der Hand der Regierungsgegner. (dpa/afp/apd)