Berlin. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) über die Motive des Täters, Konsequenzen für die Behörden, die Reaktion der AfD – und über Elon Musk.
Innenministerin Nancy Faeser stellt weitreichende Konsequenzen aus dem Terror von Magdeburg in Aussicht – und knöpft sich die AfD vor.
Taleb A. hatte mehrfach schwere Gewalttaten angekündigt, bevor er einen Wagen auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg steuerte. Hätten die Sicherheitsbehörden diesen Anschlag nicht verhindern müssen?
Nancy Faeser: Das wird in den Ermittlungen nach dieser furchtbaren Tat genaustens geprüft. Hier wird jeder Stein umgedreht – und volle Transparenz hergestellt. Darüber unterrichten wir auch die Innenpolitiker im Parlament engmaschig. Genau wie wir aus dem schrecklichen Attentat in Solingen mit dem Sicherheitspaket der Bundesregierung umfassende Konsequenzen gezogen und danach die Sicherheitsbehörden gestärkt haben, werden wir auch jetzt alles tun, um die richtigen Lehren zu ziehen.
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Brauchen die Sicherheitsbehörden neue Instrumente, um auch untypische Täter wie einen Islamhasser aus einem muslimischen Land zu stoppen?
Faeser: Entscheidend ist erst einmal unabhängig vom Motiv: Dieser Täter hat unfassbar brutal und grausam gehandelt. Er ist mit voller Wucht und offenbar voller Absicht auf Menschen zugerast, um sie zu töten. Die Ermittlungen laufen wegen fünffachen Mordes und 200-fachen versuchten Mordes – das zeigt die ungeheure Dimension dieser Tat. Doch die Motive des Täters sind noch diffus und passen in kein bisheriges Muster. Die Ermittlungen müssen hier noch ein klareres Bild ergeben. Und daraus gilt es dann abzuleiten, welche Mechanismen in den Polizeibehörden geschärft werden müssen, um die Gefährlichkeit von Personen so präzise wie nur möglich zu ermitteln.
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Wie denken Sie über Forderungen, die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern im Rahmen einer Föderalismusreform effizienter aufzustellen?
Faeser: Schon vor dieser furchtbaren Tat war völlig klar, dass wir die Sicherheitsbehörden weiter stärken müssen: mit allen notwendigen Befugnissen und mehr Personal. Unser Haushaltsentwurf für 2025 sieht eine Milliarde Euro mehr für die Sicherheitsbehörden vor und 1000 zusätzliche Polizeibeamtinnen und -beamte bei der Bundespolizei. Das brauchen wir. Und was die Befugnisse angeht: Unsere Gesetzentwürfe zur Stärkung der inneren Sicherheit liegen auf dem Tisch und sollten dringend beschlossen werden. Das gilt für das neue Bundespolizeigesetz, das unsere Bundespolizei erheblich stärken würde. Das gilt für die biometrische Erkennung von Gesichtern und Stimmen von Terrorverdächtigen, Mördern und Vergewaltigern, die von der Union im Bundesrat aufgehalten wurde. Und das gilt für die vom Bundesverfassungsgericht verlangten Konkretisierungen des BKA-Gesetzes im Bereich Terrorismusbekämpfung. All diese Gesetzentwürfe von uns könnten sofort beschlossen werden, wenn Union und FDP sich dem nicht verweigern. Außerdem brauchen wir die rechtssichere Speicherpflicht von IP-Adressen, die im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus essenziell ist und inzwischen vom Europäischen Gerichtshof nicht nur für zulässig, sondern für erforderlich erklärt wurde.
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Wie wollen Sie verhindern, dass ausgerechnet die AfD bei der Bundestagswahl von dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt profitiert?
Faeser: Das ist überhaupt nicht das, was mich gerade beschäftigt. Wir tun alles für die Aufklärung dieser Tat. Wir trauern um die Getöteten und sind in unseren Gedanken bei ihren Familien. In den Krankenhäusern wird weiter alles getan, um den Menschen, die schwerste Verletzungen erlitten haben, zu helfen. Gerade jetzt müssen wir auch für die Ersthelfer und Einsatzkräfte da sein, die Furchtbares erlebt haben und dabei über sich hinausgewachsen sind. Mit vielen habe ich in Magdeburg gesprochen. All das zählt gerade. Zur AfD kann ich nur sagen: Jeder Versuch, eine solch furchtbare Tat zu instrumentalisieren und das Leid der Opfer zu missbrauchen, ist widerwärtig. Das zeigt nur den Charakter derer, die so etwas tun.
Der Tech-Milliardär und Trump-Gefolgsmann Elon Musk verbreitet auf seiner Plattform X dreiste Lügen über die Tat und wirbt für die AfD. Wie gefährlich ist das?
Faeser: Wir sollten den kruden Ansichten dieses Milliardärs weniger Aufmerksamkeit schenken. Jetzt zählt nur: Alle Hilfe für die Betroffenen, unsere tiefe Anteilnahme für die Opfer und Angehörigen und die richtigen Schlussfolgerungen aus dieser abscheulichen Tat zu ziehen. Sicherheit muss oberste Priorität haben.