Berlin. Der mutmaßliche Terrorist war eine Woche nicht in seiner Unterkunft. Mit diesem Wissen hätte wohl Schlimmeres verhindert werden können.

Nach der terroristischen Messerattacke von Solingen mit drei Toten wurde schnell bekannt: Der Tatverdächtige Issa Al H. hätte eigentlich gar nicht mehr in Deutschland sein dürfen. Doch ein Abschiebeversuch scheiterte, weil die zuständigen Behörden den mutmaßlichen Terroristen nicht in seiner Asylbewerberunterkunft in Paderborn antrafen. Ein weiterer Versuch, den Mann für die Abschiebung nach Bulgarien abzuholen, erfolgte nicht.

Nach Solingen: Union stellt Bedingungen für weitere Migrations-Gespräche

weitere Videos

    Fast zwei Wochen nach dem Anschlag wurde jetzt bekannt: Der tatverdächtige ausreisepflichtige Syrer war im April 2023 bereits eine Woche lang nicht in der ihm zugewiesenen Notunterkunft in Paderborn anwesend. Das geht aus einem neuen Sachstandsbericht der nordrhein-westfälischen Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) hervor. Erst am Tag nach der gescheiterten Abholung sei er wieder anwesend gewesen.

    Solingen: Behörden hätten Nachtzeitverfügung verhängen können

    „Diese Abwesenheit wurde der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Bielefeld vonseiten der Einrichtungsleitung nicht gemeldet“, berichtete Paul im Integrationsausschuss des Düsseldorfer Landtags. In einem Standard-Fragebogen hatte die Paderborner Notunterkunft bejaht, dass der ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber regelmäßig in der Einrichtung sei.

    Auch spannend: Bundesregierung greift nach Solingen durch – Das wurde beschlossen

    Da man weder über die Rückkehr des Ausreisepflichtigen nach dem Abschiebetermin noch über dessen frühere längere Abwesenheit informiert worden sei, habe die Ausländerbehörde nicht eine sogenannte Nachtzeitverfügung in Erwägung gezogen, erläuterte Paul. Damit hätte Issa Al H. die Auflage bekommen können, sich nachts in seinem Zimmer aufzuhalten, wo er von den Beamten hätte angetroffen werden können.

    Solinger Attentäter hatte nach gescheiterter Abschiebung Schutzstatus erhalten

    Paul hatte im Landtag bereits in der vergangenen Woche erklärt, es erhöhe das Risiko, dass der Ausreisepflichtige untertauche, wenn er das Zugriffsdatum kenne. Falls der Betroffene tatsächlich untertaucht, kann wiederum eine Erhöhung der Überstellungsfrist von regulär sechs auf 18 Monate beantragt werden.

    Mehr dazu: Traurig, dass es erst den Anschlag in Solingen brauchte

    Im Fall des Solinger Attentäters erfolgte dies nicht: Nachdem die sechsmonatige Frist abgelaufen war, wurde der Syrer im August 2023 in eine Einrichtung nach Solingen gebracht. Vier Monate später erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihm den sogenannten subsidiären Schutz zu, der greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht.