Berlin. Das Private ist politisch – auch wenn es um mögliche Bündnisse geht. Welche Beziehungen über Parteigrenzen hinweg wichtig werden könnten.

Wer nach dem 23. Februar 2025 Deutschland regieren wird, lässt sich noch nicht sagen. Doch schon jetzt steht fest, dass die Regierungsbildung kompliziert werden könnte. Der Ton im Wahlkampf ist hart, und die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Parteien sind oft groß. Welche Bündnisse nach der Bundestagswahl wirklich möglich sind, hängt deshalb nicht nur von den Mehrheiten und den Programmen ab, sondern auch den handelnden Personen. Ein kurzer Draht und persönliches Vertrauen können helfen, auch über tiefe Gräben Brücken zu bauen. Wir beleuchten einige solche Beziehungen:

Matthias Miersch und Carsten Linnemann:

Sollte sich nach der Wahl eine erneute schwarz-rote Koalition anbahnen, sitzen zumindest in den Parteizentralen von CDU und SPD zwei, die sich trotz inhaltlicher Gegensätze kennen und mögen: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und sein sozialdemokratischer Gegenpart Matthias Miersch. Der konservative Linnemann und der zum linken SPD-Flügel gehörende Miersch haben im Bundestag beide Energie- und Wirtschaftsthemen – und oft miteinander verhandelt.

„Wir haben in der Fraktion damals in der Großen Koalition zusammengearbeitet, und das war sehr vernünftig, sehr verlässlich“, erinnerte sich der Nordrhein-Westfale Linnemann nach der Berufung des Niedersachsen Miersch zum SPD-Generalsekretär. „Ich habe ihn schätzen gelernt, bin mir sicher, dass er immer noch so ist, wie er war, dass man vernünftig miteinander umgeht.“

Jetzt managen beide ihre jeweiligen Parteizentralen, organisieren den Wahlkampf – und müssen in der Rolle auch gegen die andere Seite austeilen. Dem Vernehmen nach leidet die gegenseitige Wertschätzung darunter nicht. Wenn es etwas zu besprechen gibt, tauschen sich Linnemann und Miersch per SMS aus.

Felix Banaszak und Hendrik Wüst

Der Ton zwischen Grünen und CDU/CSU ist dauerhaft frostig. Markus Söder wiederholt in jede sich bietende Kamera, dass eine Koalition mit den Grünen für ihn und die CSU ausgeschlossen ist. Und als der neue Grünen-Co-Chef Felix Banaszak kürzlich in einem Interview sagte, ein Kennlerngespräch mit dem CDU-Vorsitzenden Merz stehe schon im Kalender, bemühte man sich im Adenauer-Haus, das so schnell wie möglich zu dementieren.

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Doch während in Berlin die Hürden für eine schwarz-grüne Koalition jeden Tag ein bisschen höher gebaut werden, laufen diese Koalitionen in den Ländern recht geräuschlos. Und ausgerechnet der neue Grünen-Chef Banaszak hat eine davon mitverhandelt, in seinem Heimatland NRW. Sollten die Union und die Grünen nach der Wahl versuchen, sich anzunähern, würde Banaszak die nötige Erfahrung mitbringen – und die Beziehungen, etwa zu NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Wüst, der von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt schon mal eingeordnet wird in die Gruppe der „Schwarz-Grün-Romantiker“, erinnerte seine Partei erst vor wenigen Tagen, „dass auch erfolgreiche Koalitionen zwischen einer starken CDU und den Grünen möglich sind“.

Friedrich Merz und Christian Lindner

Ende September, wenige Wochen vor dem endgültigen Bruch der Ampel-Koalition, klagte CDU-Chef Friedrich Merz der Bild-Zeitung sein Leid über das Verhalten von FDP-Chef Christian Lindner. „Ich verstehe ihn mittlerweile immer weniger“, sagte Merz über Lindners Verhalten in der Koalition. „Ich weiß nicht, was er vorhat.“ Es klang nicht nur nach Rätselraten über die Strategie, sondern auch wie ein persönliches Unverständnis.

Dabei ist Merz außerhalb der FDP eigentlich einer derjenigen, die den FDP-Vorsitzenden am besten verstehen. Die beiden kennen und schätzen sich seit Langem. 2020, als Merz noch zwei weitere Bewerbungen vom CDU-Vorsitz entfernt war, stellte Lindner das Buch des Christdemokraten vor. Eineinhalb Jahre später war Merz unter den Gästen bei Lindners Hochzeit auf Sylt.

Kein Wunder also, dass Christian Lindner bei der jüngsten Meinungsverschiedenheit die persönliche Ansprache wählte – wenn auch öffentlich über Social Media. „Lieber Friedrich Merz, hier ist der Christian“ begann ein Video, in dem Lindner darauf reagierte, dass Merz „entsetzt“ auf Lindners Forderung nach mehr Musk und mehr Milei reagiert hatte. Auch wenn FDP und CDU gerade zum Teil um dieselben Wähler kämpfen: Zumindest ist man offenbar noch beim Du.

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Otto Fricke und Dennis Rohde

In den drei Jahren der Ampel-Koalition hat es an vielen Stellen gekracht, und das laut. Ein Grüppchen allerdings hat Meinungsverschiedenheiten immer intern geklärt und gleichzeitig nach außen zusammengehalten: die Chefhaushälter der Fraktionen, Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP). Bei allen Schwierigkeiten betonten die drei nach außen immer den gegenseitigen Respekt und die vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Das gilt sogar noch nach dem Ampel-Aus: Als der Haushaltsausschuss im Bundestag vor wenigen Tagen die Mittel für das neue Forschungsschiff Polarstern II freigab, bedankten Kindler und Rohde sich explizit bei Frick, dass er und seine Fraktion den Beschluss ermöglicht hätten. Der hob das auf X positiv hervor: „Haushälterstil“.

Sven-Christian Kindler tritt bei der Neuwahl nicht wieder an. Und ob SPD und FDP noch einmal in die Verlegenheit kommen, über ein mögliches Regierungsbündnis zu sprechen, ist alles andere als sicher. Die Stimmung zwischen Sozialdemokraten und Liberalen ist an einem Tiefpunkt. Sollten sie es nach der Wahl trotzdem noch einmal miteinander versuchen wollen, gibt es mit Rohde und Fricke jedenfalls schon einmal zwei, die wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können.