Berlin. Rechtsruck bei Jungwählern: Vor den Landtagswahlen im Osten sagt ein 23-jähriger Thüringer, warum er nur noch AfD wählen will.
Die Jugend rückt nach rechts: Das zeigte sich schon bei der vergangenen Europawahl, bei der 16 Prozent der Wählerinnen und Wähler unter 25 ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben. Damit war die in Teilen rechtsextreme Partei auf Platz zwei bei den jungen Wählern. Knapp davor lag nur die Union mit 17 Prozent.
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Ob sich der Trend auf die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg auswirken kann, wird sich am Wahlabend zeigen. Die AfD kann jedenfalls in allen drei Bundesländern mit Wahlerfolgen rechnen. Für Sachsen und Thüringen, wo die AfD als gesichert rechtsextrem gilt, prophezeit das aktuelle ZDF-Politbarometer 30 Prozent der Stimmen.
Warum es schwer ist, mit jungen AfD-Wählern ins Gespräch zu kommen
Versucht man, als Journalist junge AfD-Wählerinnen und -Wähler zu erreichen und nach ihren Gründen zu fragen, erhält man meist keine Antwort. Kein Wunder: Anna Leisten, Landesvorsitzende der Jungen Alternative in Brandenburg und Shootingstar der AfD-Jugendorganisation, machte auf X (ehemals Twitter) eine klare Ansage: „Wir reden nicht mit der Feindpresse“.
Wir reden nicht mit der Feindpresse 🚨
— 🐝 Anna Leisten (@leisten_anna) 14. August 2024
Für uns als Junge Alternative Ost ist eines in diesem Wahlkampf besonders wichtig: Die Mainstreampresse ist nicht unser Freund. Mögen Journalisten noch so nett mit einem ZDF Mikrofon 🎤 vor euch stehen: denkt immer dran: diese Medien sind…
Ein 23-jähriger AfD-Wähler, der in den Instagram-Kommentaren der Jungen Alternative Thüringen aktiv ist, spricht dann doch mit dieser Redaktion. Am Telefon bestätigt er, dass er vorhat, die AfD zu wählen. Sein voller Name ist der Redaktion bekannt, er möchte aber nur mit Herr Brauer angesprochen werden - passend zu seinem Beruf, er ist ausgebildeter Brauer und Mälzer aus dem thüringischen Gotha.
Früher, bei den Kommunal- und Europawahlen 2019, habe er FDP gewählt, erzählt er. Dann hätten die Liberalen aber entgegen ihrer Wahlversprechen den Atomausstieg als Teil der Ampel-Koalition weiter mitgetragen - seitdem wähle er nur noch AfD. Für den Politikwissenschaftler Frieder Mitsch ein klassischer Grund: „Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ein Vertrauensbruch begangen wurde, also Parteien nicht das umsetzen, was sie vor der Wahl versprochen haben, kann das dazu führen, dass sie offener sind für Parteien, die sich stark auf den Protest gegenüber dem Establishment fokussieren“, erklärt der Experte der London School of Economics and Political Science.
Experten sehen vor allem eine große Unzufriedenheit bei Jugendlichen. Sie ist im Osten stärker als Westen. „Die Unzufriedenheit ist politisch, sie ist gesellschaftlich und vor allem ist sie wirtschaftlich“, erklärt Kilian Hampel, Mitautor der Studie „Jugend in Deutschland 2024“, die ebenfalls den Jugendlichen einen Rechtsruck bescheinigt. „Das trifft auch Ostdeutschland stärker, weil es wirtschaftlich lange Zeit abgehängt wurde und besonders stark von Abwanderung betroffen ist. So ist die Sorge vor Altersarmut in den ostdeutschen Bundesländern überdurchschnittlich hoch“, so Hampel weiter.
Warum wählt ein junger Mensch AfD?
Die AfD profitiere als Protestpartei von ihrer Oppositionsrolle und auch von der „Brandmauer“, also dem selbstauferlegten Kooperationsverbot der anderen Parteien, sagt Mitsch. AfD-Jungwähler Brauer sagt, ihm gehe es um eine andere Migrationspolitik und eine engere Bindung zu Russland – zwei typische Gründe, die AfD-Wähler angeben, egal welchen Alters. Zu dem Anschlag des vergangenen Wochenendes in Solingen sagt er: „Ich bin der Überzeugung, dass sich so etwas wie in Mannheim und Solingen häufen wird, wenn sich an der Politik nicht schleunigst etwas ändert.“
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Doch woher kommt die Wut auf Migranten und die Liebe zu Russland? Mitsch kennt aus der Politikwissenschaft zwei Erklärungsansätze: „Der eine ist kulturell und bezieht sich auf die nationale Identität beziehungsweise die im Osten eher verankerte Nähe zu Russland. Der andere ist wirtschaftlich, da geht es darum, wie sich die Zuwanderung auf die eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt auswirkt beziehungsweise, was die Folgen der Sanktionen gegen Russland für die deutsche Wirtschaft bedeuten.“
Jugendforscher: Junge Menschen fürchten um ihr wirtschaftliche Zukunft
Die Angst vor wirtschaftlichen Nachteilen: Sie sei bei jungen Menschen besonders ausgeprägt, sagt Jugendforscher Hampel. „Bei unserer Studie stimmte die Hälfte der jungen Menschen der Aussage zu, dass sich mehr um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche gekümmert wird“, erklärt er. Generell sei die finanzielle Unsicherheit bei Jugendlichen hoch.
„Themen wie Inflation, Krieg, wirtschaftliche Absicherung und Migration zählen zu drängendsten Sorgen Jugendlicher“, ergänzt Christoph Richter vom Institut für Demokratie und Zeitgeschichte. Die allgemeine gesellschaftspolitische Lage würde der AfD in die Hände spielen. So erklärt der Soziologe auch die früheren Erfolge der Grünen bei jungen Wählern: Damals hätten vor allem Klima- und Umweltfragen im Fokus gestanden.
Kann es gelingen, junge Wähler von der AfD zurückzugewinnen?
Ein weiterer Aspekt laut Hempel: „Junge Menschen sind weniger an Parteien gebunden als ältere und werden stark von der Familie beeinflusst. Zusätzlich lassen sie sich gerne von Versprechungen verleiten, die eine Besserung ihrer aktuellen Situation in Aussicht stellen. Und derzeit erfahren Jugendliche solche Versprechungen besonders stark von der AfD und dem BSW.“ Eine geringere Parteibindung nährt aber auch die Hoffnung, dass die jungen Wähler sich auch wieder von der AfD abwenden.
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Doch für den jungen Thüringer Brauer ist klar: Solange die „Brandmauer“ stehe und die anderen Parteien für ihn unglaubwürdig seien, bleibe er AfD-Wähler. Was also können die anderen Parteien tun? Politikwissenschaftler Mitsch beobachtet zumindest eine neue Strategie: Die Parteien der politischen Mitte würden in der Migrationspolitik inzwischen einen deutlich schärferen Kurs fahren.
Eine Reaktion auf die AfD? International gebe es dafür durchaus ein Vorbild: Dänemark. Dort hätten die Sozialdemokraten rechte Positionen übernommen, und so dem Aufstieg der Dänischen Volkspartei erfolgreich entgegenwirkt.
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