Berlin. Für den Wahlerfolg instrumentalisiert die AfD den Terroranschlag von Solingen. Experten sagen: Es wird ihnen nicht viel bringen.
Nur wenige Stunden nach der tödlichen Messerattacke hat der AfD-Politiker und Spitzenkandidat in Thüringen, Björn Höcke, den Anschlag für seine Wahlkampfzwecke genutzt. Auf der Plattform X forderte Höcke die Wähler auf, die für die Tat „verantwortlichen Kartellparteien in die Wüste“ zu schicken und die „Wende“ zu wählen. Schnell kursierte das Video „Höcke oder Solingen“ aus AfD-Kreisen, in dem suggeriert wird, dass es unter einer AfD-Regierung weder Angriffe wie in Solingen geben würde, noch „Massenzuwanderung“ oder den „Zerfall der inneren Sicherheit“.
Der Politikberater und Wahlkampfexperte Johannes Hillje hält das für einen Versuch, das Gefühl der Unsicherheit bei den Menschen, „was nach einem solchen Anschlag selbstverständlich und nachvollziehbar ist“, zu instrumentalisieren. „Die AfD reagiert auf den Anschlag in Solingen besonders aggressiv und mit unrealistischen Versprechen in den sozialen Medien“, sagte Hillje dieser Redaktion. Ziel sei es, „noch ein paar Prozentpunkte mehr bei den Landtagswahlen herauszuholen“.
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„Doch es gibt keinen Automatismus, dass die AfD von solchen Ereignissen profitiert“, erklärte Hillje. „Das hängt auch von der Reaktion der anderen Parteien ab, die seriös und empathisch auf die Unsicherheit in der Bevölkerung reagieren sollten.“ Nach einer neuen Umfrage hat die AfD bereits jetzt sehr hohe Zustimmungswerte von mehr als 30 Prozent in Thüringen und Sachsen erreicht. „Studien zeigen, dass die AfD hier nicht mehr Wachstumspotenzial hat.“
AfD hat Wählerpotenzial in Sachsen und Thüringen ausgeschöpft
Ähnlich bewertet dies auch der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder. „Die AfD hat ihr Potenzial bereits gut ausgereizt“, sagte er. „Ich erwarte nicht, dass die AfD durch die Messerattacke noch sehr viel mehr Wähler gewinnen wird. Menschen, die sich durch diese Form der Ressentiment bezogenen Kommunikation beeindrucken lassen, die sind schon in ihrem Beutebeutel.“
Es sei eine Paradedisziplin der AfD, gesellschaftliche Ängste zu instrumentalisieren, analysierte Hillje. Die Ursachen aller Probleme würden in der Migration und der Vielfalt der Gesellschaft ausgemacht. Islam wird mit Islamismus gleichgesetzt. Dagegen wird das eigene Ideal der ethnisch homogenen Gesellschaft gesetzt. „Die Partei suggeriert mit Videos wie ‚Höcke oder Solingen‘, dass solche Anschläge mit der AfD nicht mehr passieren könnten, was natürlich völlig unrealistisch ist.
„Die Flüchtlingspolitik wird nicht in erster Linie von den Bundesländern bestimmt, sondern von der Bundesregierung. Auch ein Ministerpräsident Höcke könnte daran nichts ändern“, so Hillje. „Die anderen Parteien sollten jetzt die Gelegenheit nutzen, diesen unrealistischen Versprechungen der AfD seriöse Antworten entgegenzusetzen“, rät Hillje. „Allerdings habe ich die Befürchtung, dass man sich einen Schäbigkeitswettbewerb liefert, wie ansatzweise schon bei Mario Voigt zu beobachten ist.“ Der Spitzenkandidat der Thüringer CDU hatte sofort nach der Tat Rücktrittsforderungen an die Ampel gerichtet.
Politik-Experte: „AfD ist eine strukturelle Krisengewinnlerpartei“
Nichtsdestotrotz müssten die anderen Parteien die Verunsicherung der Menschen ernst nehmen und konkrete Vorschläge zur Vorbeugung solcher Taten machten, fordert Hillje. „Man muss sich selbstverständlich auch der Debatte stellen, wie man Rechtsstaatlichkeit in der Migrationspolitik sicherstellt, was auch die Abschiebung von Menschen beinhaltet. Diese Fragen müssen offen und ehrlich auch von den anderen Parteien beantwortet werden.“
„Die AfD ist eine strukturelle Krisengewinnlerpartei“, sagte der Politikwissenschaftler Schroeder. „Immer wenn es Attentate gibt, versucht sie die dabei entstehenden Ängste und Ressentiments maximal für ihre Zwecke auszubeuten und ihre angebliche Bedeutsamkeit als potenzielle Schutzmacht der Deutschen herauszustellen. Die AfD ist ein politisches Unternehmen zur Ausbeutung von Ängsten und Sorgen der Bevölkerung. Sie hat vor allem das Ziel, diese Gesellschaft zu destabilisieren und die dahinterstehenden realen Gefühle brutalst zu instrumentalisieren.“
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