Kiew. Russlands Truppen gehen nahe der Millionenstadt in die Offensive. Für einen Angriff auf die Metropole dürfte ihnen die Kraft fehlen.

Seit geraumer Zeit bereits warnt die ukrainische Staats- und Militärführung davor, dass Russland in seinem Angriffskrieg ab Mai wieder verstärkt in die Offensive gehen könnte und dies insbesondere auch die Region Charkiw betreffen könnte. Die war im September 2022 von den Ukrainern nahezu vollständig befreit worden.

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Jetzt scheinen die Russen ernst zu machen: Laut dem ukrainischen Verteidigungsministerium hat die russische Armee ab den frühen Montagmorgen nicht nur den Beschuss des nördlichen Teils des Bezirks Charkiw intensiviert. Es hat auch Versuche gegeben, die Grenze auf dem Boden zu überqueren – mit Infanterie, die teils von schwerer Technik unterstützt wurde.

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Bisher fallen die Ergebnisse unterschiedlich aus. Die Vorstoßversuche Richtung der Stadt Wowtschansk, die mit dem Kreis Schebekino an die russische Region Belgorod grenzt, scheinen noch nicht erfolgreich gewesen zu sein. Bisher sind die russischen Angreifer nur einen Kilometer vorangekommen. Bei Belgorod hatten sich die russische Armee bereits mehrfach mit Sabotage-Akten proukrainischer Milizen auseinandersetzen müssen.

Rund 40 Kilometer weiter westlich, unter anderem bei dem Dorf Striletscha, entstand jedoch offenbar vorerst eine etwas größere Kampfzone. „Die Ressourcen, die der Feind im Moment einsetzt, werden für einen tiefen Vorstoß nicht ausreichen. Derzeit geht es dem Feind darum, die Grenzgebiete zu destabilisieren“, schreibt der ukrainische Telegram-Kanal Deep State, der das Kriegsgeschehen regelmäßig analysiert. „Es ist jedoch unbekannt, ob die Hauptkräfte noch dort eingesetzt werden könnten.“

Charkiw: Junge Ukrainer trotzen den russischen Angriffen
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    Aus der ukrainischen Stadt Wowtschansk und anderen Gegenden nahe der russischen Grenze werden verstärkte Menschen evakuiert – und es ist klar, dass sich die Lage zuspitzt und in der Region Charkiw eine neue Frontrichtung entstehen könnte. Laut den Quellen der Nachrichtenagentur Reuters bei der ukrainischen Militärführung könnte es den Truppen des russischen Machthabers Wladimir Putin zunächst einmal darum gehen, eine zehn Kilometer lange Pufferzone an der Grenze zu schaffen, unter anderem um ukrainische Aktionen in der russischen Region Belgorod zu erschweren. „Die ukrainischen Militärs wussten von russischen Plänen und haben einen Plan erarbeitet“, kommentierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Ereignisse rund um den Bezirk Charkiw.

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    Perspektivisch könnte das Vorankommen etwa Richtung Wowtschansk eher nicht dazu dienen, eine Operation gegen die Millionenstadt Charkiw selbst vorzubereiten. Weiterhin scheinen die Russen bei Weitem nicht die nötigen Kräfte gesammelt zu haben, um die Umsetzung des viel diskutierten Einkesselungsplans ernsthaft anzugehen. Vielmehr dürfte es so wie bei der ebenfalls seit vielen Monaten umkämpften Stadt Kupjansk darum gehen, Aufmarschgebiete zu schaffen, um aus dieser Richtung in den Norden des Bezirks Donezk zu kommen, wo sich wichtige Städte wie Kramatorks und Slowjansk unverändert unter Kontrolle der ukrainischen Regierung befinden.

    Daher ist die Lage für die Ukraine besorgniserregend, auch wenn es sich dabei vorerst eher nicht um die Charkiwer Großoffensive handelt. So betonte auch Oleksandr Pawljuk, Kommandeur der ukrainischen Landstreitkräfte, im Gespräch mit dem britischen „Economist“, dass die nächsten zwei Monate durchaus kompliziert sein könnten. Während die endlich verabschiedete US-Hilfe erst jetzt an der Front anzukommen beginnt, verfügt Russland über ein Zeitfenster für eigene Aktionen, das die russische Armee unbedingt nutzen will. Ob sie dabei Erfolg haben wird, ist bislang noch nicht abzusehen.