Nach Tagen der sich verschärfenden Spannungen in Ägypten haben sich die Kontrahenten im politischen Machtkampf am Dienstag um Deeskalation bemüht. Westerwelle sagt Hilfe bei Demokratisierung zu

Kairo. Nach Tagen der sich verschärfenden Spannungen in Ägypten haben sich die Kontrahenten im politischen Machtkampf am Dienstag um Deeskalation bemüht. Das von den Islamisten dominierte Parlament widersetzte sich zwar mit einer Sitzung seiner vom Verfassungsgericht angeordneten Auflösung, vermied aber eine direkte Konfrontation mit dem Militärrat. Präsident Mohammed Mursi, der gegen den Willen der Generäle und des Gerichts die Wiedereinsetzung der Kammer beschlossen hatte, nahm den zweiten Tag in Folge an einer Militärzeremonie teil, zu der auch der Vorsitzende des Militärrats, Feldmarschall Hussein Tantawi, gekommen war.

Unterdessen traf Bundesaußenminister Guido Westerwelle als erster westlicher Spitzenpolitiker mit dem neuen Präsidenten Mursi zu Gesprächen zusammen. Er gratulierte dem Staatschef zur Amtseinführung und sagte dem Land Hilfe beim demokratischen Transformationsprozess zu. „Ich appelliere an alle Ägypter, den Weg zur Demokratie zu unterstützen“, sagte Westerwelle am Dienstag zum Abschluss seines zweitägigen Besuchs in Kairo. Deutschland sei auf diesem Weg „ein Partner des ägyptischen Volkes“. Bei einem Gespräch mit Mursi lud Westerwelle den Präsidenten im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem Besuch nach Berlin ein.

Beobachter werteten die Winkelzüge vom Dienstag in Kairo als geschicktes Manöver, bei der alle Seiten ihr Gesicht wahren konnten. Auch die Sicherheitskräfte vermieden eine Auseinandersetzung und ließen die Abgeordneten ungehindert das Parlamentsgebäude betreten. Bei der nur rund fünfminütigen Sitzung stellten sich die Parlamentarier – zumindest in einer symbolischen Geste – gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts, das Parlament wegen Unregelmäßigkeiten bei der ersten Wahl seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak vor 17 Monaten aufzulösen.

Bei der Sitzung sagte Parlamentspräsident Saad El Katatni den versammelten Abgeordneten, die Kammer müsse einen Weg finden, die Entscheidung des Verfassungsgerichts umzusetzen, statt sie zu debattieren. Dies geschehe aus Respekt vor dem Gesetz und der Gewaltenteilung. Gleichzeitig schlug er aber auch vor, ein Berufungsgericht einzuschalten, um die Rechtmäßigkeit des Urteils des Verfassungsgerichts zu prüfen. Zunächst war aber unklar, ob das Berufungsgericht die von den Abgeordneten abgesegnete Anfrage des Parlaments annehmen würde.

Spannungen nach Wiedereinsetzung des Parlaments

Die Spannungen hatten sich nach einem Erlass von Präsident Mursi, die Auflösung des Parlaments rückgängig zu machen, am Sonntag dramatisch erhöht. Das Oberste Verfassungsgericht bestätigte am Montag sein Urteil, demzufolge die Zusammensetzung des Parlaments unrechtmäßig erfolgt ist. Das Gericht sollte noch am Dienstag über drei Punkte entscheiden, die die Rechtmäßigkeit von Mursis Dekret infrage stellten. Eine niedrigere Instanz, die ursprünglich ebenfalls am Dienstag über Beschwerden gegen Mursis Erlass befinden hätte sollen, verschob seine Entscheidung auf den 17. Juli.

US-Außenministerin Hillary Clinton rief Mursi und die Generäle auf, ihren Streit um das Schicksal des Parlaments beizulegen, um den Übergang des Landes zur Demokratie nicht zu gefährden. Clinton wird noch diese Woche zu einem Besuch in Kairo erwartet.

Offenbar um die Spannungen zu lockern, nahm Mursi gemeinsam mit Feldmarschall Tantawi und Generalstabschef Sami Anan am Dienstag an einer Abschlussfeier junger Soldaten auf einer Luftwaffenbasis im Nildelta teil. Die Generäle hatten dem Präsidenten Ende Juni die Macht übergeben, sich aber vor seiner Amtseinführung noch entscheidende Machtbefugnisse auf Kosten des Staatschefs gesichert.

Westerwelle erklärte am Dienstag nach dem knapp einstündigen Gespräch, er begrüße das klare Bekenntnis von Mursi zu Demokratie, Rechtsstaat und Pluralität, ebenso dessen „erklärten Willen zur inneren Aussöhnung“ sowie das klare Bekenntnis zu religiöser Toleranz. Der Minister betonte, Deutschland liege viel daran, dass der demokratische Aufbau in Ägypten gelinge. Dies setze auch gute Rahmenbedingungen für den Aufbau der Wirtschaft in Ägypten. Westerwelle würdigte ausdrücklich die Ankündigung des Präsidenten, internationale Verträge mit anderen Staaten „zu achten und zu schützen“. Damit dürfte vor allem der Friedensvertrag mit Israel gemeint sein.

Westerwelle sicherte Mursi die volle Mitwirkung Deutschlands bei der Rückführung illegal ins Ausland geleiteter Gelder zu. „Wir werden jedem Hinweis nachgehen. Wir wollen kein illegales Geld in unserem Land“, sagte Westerwelle. Das Geld werde in Ägypten dringend gebraucht.

Zuvor hatte sich Westerwelle mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elarabi, getroffen. Dabei sei es vorrangig um die Krise in Syrien gegangen, verlautete nach dem Gespräch aus Diplomatenkreisen. Beide Seiten vereinbarten demnach eine enge Zusammenarbeit bei der Einleitung weiterer Schritte in der Region und bei den Vereinten Nationen.

(dapd)