Zum Auftakt seines Besuchs in Kairo hat sich Außenminister Guido Westerwelle für eine Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses in Ägypten stark gemacht. Die Reise findet vor dem Hintergrund einer ersten Machtprobe zwischen dem erst vor einer Woche vereidigten Islamisten Mursi auf der einen, und Verfassungsgericht und Militärrat auf der anderen Seite statt.
Kairo. Auf dem Höhepunkt des Machtkampfes zwischen dem ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi und dem mächtigen Militärrat will Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) Mursi in Kairo treffen. Für (den heutigen) Dienstag ist eine Sitzung des ägyptischen Parlaments geplant. Zuvor hatten die Verfassungsrichter ihr vorheriges Urteil über die illegale Wahl eines Drittels der Abgeordneten bestätigt und damit Mursis eigenmächtige Wiedereinberufung des vom Militärrat aufgelösten Parlaments infrage gestellt.
Mursi könnte nun als Sieger aus dem Ringen um die Macht im Land hervorgehen, sofern die Generäle den Abgeordneten den Zugang zum Parlamentsgebäude nicht mit Gewalt verweigern. Der Militärrat sprach eine versteckte Warnung an Mursi aus, indem er mitteilte, er werde „Legitimität, Verfassung und Gesetz“ im Land weiter schützen. Damit bekräftigten die Militärs ihre Unterstützung für die Entscheidungen der Richter.
Das Oberste Verfassungsgericht bestätigte zwar sein Urteil, demzufolge die Zusammensetzung des Parlaments unrechtmäßig ist. Über Mursis Erlass, mit dem der Präsident die Auflösung des Parlaments wieder rückgängig gemacht hatte, will jedoch ein Verwaltungsgericht am Dienstag befinden.
Liberale Abgeordnete wollen Sitzung fernbleiben
Sollte Mursis Entscheidung bestätigt werden, wäre das für ihn ein bedeutender Sieg über die Generäle, die sich vor seiner Amtseinführung entscheidende Machtbefugnisse auf Kosten des Staatschefs gesichert hatten. Sollte sich indes der Militärrat durchsetzen, könnte dies eine neue Welle der Instabilität in Ägypten auslösen.
Mursi ordnete in seinem Erlass laut einem Bericht der Nachrichtenagentur MENA auch die Wahl eines neuen Parlaments binnen 60 Tagen nach der Annahme einer neuen Verfassung an. Die Ausarbeitung und Verabschiedung der neuen Verfassung wird nicht vor Jahresende erwartet.
Während Mitglieder der Muslimbruderschaft, der Mursi selbst angehört, seinen Vorstoß begrüßt hatten, waren nicht alle Abgeordneten begeistert. Zahlreiche liberale Volksvertreter hatten angekündigt, der von Parlamentspräsident Saad el Katatni einberufenen Sitzung fern zu bleiben.
Westerwelle stellt Wirtschaftshilfe in Aussicht
Westerwelle versprach Ägypten unterdessen Deutschlands Unterstützung im Reformprozess. „Wir wollen den Erfolg Ägyptens und wir wollen Ägypten dabei unterstützen, dass es jetzt diesen Weg der Demokratie gehen kann“, sagte er am Montagabend in Kairo. Ägypten sei das Schlüsselland für den Erfolg des Arabischen Frühlings. Westerwelle wollte am Dienstag als erster westlicher Spitzenpolitiker mit Mursi zu Gesprächen zusammenkommen.
Der Minister stellte wirtschaftliche Hilfen in Aussicht, machte sie aber auch von Bedingungen abhängig. Es gebe viele Unternehmen in Deutschland, die bereit und Willens seien, wieder in Ägypten zu investieren. „Aber das setzt natürlich auch verlässliche stabile demokratische Verhältnisse voraus“, sagte Westerwelle Deutschland habe Erfahrung in der wirtschaftlichen Unterstützung anderer Länder. (dapd)