Zweimal soll der FDP-Chef den Außenminister angerufen haben, um ihm von der Vertrauensfrage abzuraten. Ist die Krise jetzt überstanden?
Berlin/Bergisch Gladbach. Ist die Krise des Guido Westerwelle beendet? Zumindest blieb die befürchtete Vertrauensfrage auf der Klausurtagung in Bergisch Gladbach aus. Dafür hatte Rösler gesorgt. Im Gegenzug sprach er ein Machtwort und stärkte dem Außenminister den Rücken.
FDP-Chef Philipp Rösler hat mit einem Machtwort die interne Rücktrittsdebatte um Außenminister Guido Westerwelle für beendet erklärt. Das Führungsteam der FDP bestehe aus den Spitzen von Partei und Fraktion sowie den aktuellen Ministern. „Und das wird auch in Zukunft so bleiben“, sagte Rösler am Dienstag bei der FDP-Fraktionsklausur in Bergisch Gladbach. Wirbel gab es dort um eine Vertrauensfrage, die Westerwelle in der Fraktion angeblich stellen wollte. Offen ist, ob der Außenminister nach den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin im September wieder in die Schusslinie geraten könnte.
Rösler hatte die Diskussion über Westerwelles politische Zukunft selbst mit angefacht. Noch am Montag hatte er deutlich gemacht, der 49-Jährige sei ein Minister auf Bewährung. Aus dem Umfeld des Parteichefs erfuhr die Nachrichtenagentur dpa, der Parteichef habe Westerwelle in zwei Telefongesprächen signalisiert, dass ein Vertrauensvotum während der Klausur unerwünscht sei. In Westerwelles Umgebung hieß es dazu: „Diese Frage stellt sich nicht, weil der Außenminister davon ausgeht, dass er das Vertrauen der Fraktion besitzt.“
Westerwelle war wegen seiner starren Libyen-Haltung in der FDP heftig unter Druck geraten. Nach dem Fall des Gaddafi-Regimes zögerte er lange, dies auch als Erfolg der Nato-Strategie zu würdigen. Rösler distanzierte sich in diesem Punkt klar vom Außenminister.
Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister betonte am Dienstag erneut, er habe mit seinem Lob für die Nato-Partner als Parteivorsitzender die Linie der FDP in der Außenpolitik aufgezeigt. Westerwelle sei dieser Linie am Wochenende dann klar gefolgt. „Ich halte deswegen auch die öffentliche Debatte in dieser Frage für beendet“, sagte der FDP-Chef. Westerwelle hatte lange nur auf die Erfolge auch der deutschen Sanktionspolitik beim Gaddafi-Sturz verwiesen. Erst am Wochenende hatte er den Nato-Kräften Respekt gezollt.
Westerwelle selbst sagte am Dienstagmorgen beim Wirtschaftstag der Botschafter-Konferenz in Berlin mit Blick auf die Debatte über die deutsche Enthaltung beim Libyen-Einsatz: „Die Autorität unseres Landes in der Welt hängt eben nicht zuerst damit zusammen, dass wir besonders stark wären mit Armeen oder militärischer Ausrüstung, sondern dass wir mit einem besonders stark sind: mit Wirtschaft.“
Der Außenminister erhielt in der Partei nun viel Rückendeckung. In der Fraktionssitzung sei Solidarität mit ihm bekundet worden, hieß es von Teilnehmern. Fraktionschef Rainer Brüderle sagte in der ARD auf die Frage, ob der Minister im Amt bleiben solle: „Ich bin der Auffassung, das kann er sehr wohl.“
Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), der als einer der möglichen Nachfolger gilt, sagte, er stehe „ausdrücklich mit und auch zu meinem Kollegen Guido Westerwelle“. Als Favorit für eine Nachfolge wird vor allem Westerwelles Staatsminister Werner Hoyer gehandelt.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr nannte Rücktrittsforderungen der Opposition an Westerwelle in der „Westdeutschen Zeitung“ eine „parteitaktische Phantomdebatte“. Der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, warnte im Deutschlandradio, „in Endlosschleife“ über Westerwelle zu reden.
Westerwelle sagte am Dienstagabend nach einer Sitzung zum Auftakt der FDP-Fraktionsklausur: „Ich habe eine außerordentlich erfreuliche Sitzung erlebt. Viel Rückendeckung. Da freue ich mich drüber.“
Ein Bericht der „Leipziger Volkszeitung“, die FDP-Spitze wolle endgültig nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September über Westerwelles Zukunft entscheiden, wurde in FDP-Kreisen zurückgewiesen.
Die SPD rief Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, ihre Richtlinienkompetenz wahrzunehmen und die Debatte über Westerwelle zu stoppen. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Gernot Erler warnte in den „Kieler Nachrichten“ (Dienstag), Deutschland könne sich keinen Außenminister auf Abruf leisten.
Die Grünen nannten die Ablösung Westerwelles unvermeidlich. Parteichef Cem Özdemir forderte einen klaren Schnitt, nachdem Rösler seinen Parteikollegen „vollständig demontiert“ habe. Deutschland habe nur noch eine „lame duck“ (lahme Ente) als Außenminister, den keiner mehr ernst nehme. „Das kann sich die Bundesregierung nicht leisten.“
Die FDP-Fraktionsklausur dauert noch bis Donnerstag. Bis dahin wollen die Liberalen ihre Position bei der Euro-Rettung, zu Bürgerrechten, Internet und Bildungsfragen diskutieren. (dpa)