Rebellen suchen weiter nach dem libyschen Diktator. Versorgungslage in Tripolis angespannt. Kämpfe in weiten Landesteilen.

Kairo/Tripolis/New York. Nach dem Abflauen der Kämpfe in Tripolis spitzt sich die Versorgungslage für die Bevölkerung in der libyschen Hauptstadt zu. Lebensmittel werden knapper, das Wasser blieb abgestellt und am Freitagabend gab es stundenlang keinen Strom, berichtete eine Korrespondentin der Nachrichtenagentur dpa aus der Millionenmetropole. Ein neuer Bericht heizte die Spekulationen über den Verbleib von Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi an. Danach vermuten die Aufständische ihn nun auf dem Weg in Richtung tunesische Grenze. Anderen Berichten zufolge könne sich Gaddafi in ALgerien aufhalten.

Die Anti-Gaddafi-Kämpfer haben nach gleichlautenden Berichten in den meisten Stadtteilen von Tripolis die Oberhand. Der Rebellenkommandeur für Tripolis, Abdelhakim Belhadsch, erklärte, 95 Prozent der Stadt seien unter ihrer Kontrolle. In der Nacht waren erneut Kämpfe in mehreren Stadtteilen zu hören. Am Unruhigsten war es in den Vierteln Bu Slim und Al-Hadhaba Al-Chadhra sowie am Flughafen.

Die Gaddafi-Treuen am Airport erhielten offenbar Nachschub aus dem mehrere hundert Kilometer südlich gelegenen Sebha, berichtete der Nachrichtensender Al-Dschasira. Die Wüstenstadt gilt als eine noch nicht gefallene Hochburg von Gaddafi-Getreuen. Am Freitag hatte es aus Rebellenkreisen geheißen, es solle sichergestellt werden, dass der bisherige Machthaber sich nicht dorthin absetzte.

Unterdessen zitierten arabische Medien einen Rebellenkommandeur in der Stadt Ghadames (rund 550 Kilometer südwestlich von Tripolis), Gaddafi versuche möglicherweise zusammen mit weiteren hochrangigen Repräsentanten über Tunesien zu fliehen. Ein Konvoi von sechs gepanzerten Luxuslimousinen bewege sich in Richtung Grenze. Eine Bestätigung für den Bericht gab es nicht. Al-Dschasira wiederum berichtete von sechs bewaffneten Mercedes auf dem Weg nach Algerien. Rebellen hätten den Konvoi nicht stoppen können. Von algerischer Seite blieb ein angebliches Asyl von Gaddafi unkommentiert.

Mit der Kappung der Wasserversorgung wollen die neuen Machthaber in Tripolis nach eigenen Angaben sicherstellen, dass das Wasser nicht vergiftet werde. Zudem werden Lebensmittel knapp. Vor den wenigen Geschäften, die noch frische Waren verkauften, bildeten sich am Freitagabend lange Schlangen. In anderen Läden sind die Vorräte bereits völlig aufgebraucht. Großbritannien kündigte an, humanitäre Hilfe im großen Stil in das Bürgerkriegsland zu schicken. Es gehe um Nahrungsmittel und Medikamente.

Die britische Regierung kündigte am Sonnabend Hilfslieferungen für die libysche Bevölkerung an. Wie Entwicklungsminister Andrew Mitchell erklärte, sollen unter anderem Ärzteteams entsandt und Medikamente sowie Nahrungsmittel für etwa 690.000 Flüchtlinge bereitgestellt werden. Zudem sei Unterstützung bei der Zusammenführung von Familien geplant. Ein Teil der aus dem laufenden Budget für Entwicklungshilfe entnommenen Gelder könne auch dafür verwendet werden, Zivilpersonen in Sicherheit zu bringen, hieß es weiter. Mit der Umsetzung der Maßnahmen wird den Angaben zufolge das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beauftragt.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte die Bereitschaft der Bundesregierung, beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. "Wenn nun ein neues Libyen aufgebaut wird, wird Deutschland selbstverständlich unterstützend daran teilhaben“, sagte die Kanzlerin der Zeitung "Bild am Sonntag“.

Nach einem Al-Dschasira-Bericht haben die Aufständischen inzwischen einen Hauptgrenzübergang nach Tunesien bei Ras Ajdir (Tunesien) am Mittelmeer erobert. Etwa 100 Gaddafi-treue Soldaten seien geflohen, als die Aufständischen angerückt seien. Die Einnahme des Grenzübergangs könne entscheidend sein, um Lebensmittel und andere Güter nach Tripolis zu bringen, sagte eine Al-Dschasira-Reporterin.

Mit Material von dpa