Die Klägerin will das “drastische“ Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht anfechten. Der BFH hatte die Legitimität des “Solis“ bestätigt.
München. Der Bundesfinanzhof hat am Donnerstag über den Solidaritätszuschlag, kurz "Soli" genannt, entschieden und sieht diesen mit der Verfassung vereinbar. Erledigt ist der Fall damit allerdings noch nicht: Eine Klägerin kündigte eine Verfassungsbeschwerde an. Damit landet der „Soli“ demnächst in Karlsruhe. Er ist ein Ärgernis für Millionen Steuerzahler, aber rechtens: Der Solidaritätszuschlag ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs verfassungsgemäß. Das höchste deutsche Finanzgericht wies daher am Donnerstag in München zwei Klagen gegen den „Soli“ ab. Dieser erfülle weiterhin seine Funktion, den besonderen Finanzbedarf des Bundes durch die Wiedervereinigung zu decken, sagte der Vorsitzende Richter Hermann-Ulrich Viskorf. Eine zeitliche Befristung sei grundsätzlich nicht geboten. Gleichzeitig machten die Richter aber klar, dass der Zuschlag keine dauerhafte Abgabe zur Steuerumverteilung werden dürfe. Zahlreiche Landesregierungen begrüßten das Urteil. Sie verwiesen auf den nach wie vor hohen Finanzbedarf für den Aufbau in Ostdeutschland.
Der Fall landet nun möglicherweise beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Einer der Kläger, eine Anwältin aus dem oberbayerischen Burghausen, kündigte unmittelbar nach der Urteilsverkündung eine Verfassungsbeschwerde an. „Ich bin der Meinung, dass meine Argumente nach wie vor greifen“, sagte sie. Die Anwältin und ein Gewerbetreibender aus dem Raum Köln hatten gegen die Festsetzung des „Solis“ in den Jahren 2005 und 2007 geklagt. Ihrer Ansicht nach verstößt die Höhe und fehlende zeitliche Befristung des Solidaritätszuschlags gegen die Verfassung. „Es ist enttäuschend, dass das Urteil so drastisch ausgefallen ist“, sagte der Steuerberater, der den zweiten Kläger aus Nordrhein-Westfalen vertreten hatte.
Der Solidaritätszuschlag wurde kurz nach der deutschen Wiedervereinigung 1991 zunächst nur befristet eingeführt, um den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Ländern zu finanzieren. Im Jahr 1995 führte ihn die damalige schwarz-gelbe Koalition aber wieder ein - diesmal unbefristet und mit einem Satz von 7,5 Prozent. Seit 1998 liegt der „Soli“ bundesweit einheitlich bei 5,5 Prozent Zuschlag auf die Einkommenssteuer. Im laufenden Jahr rechnet der Bund dadurch mit Einnahmen von rund 12 Milliarden Euro.
Nach Ansicht der Richter höhlt die Höhe des Solidaritätszuschlags nicht das Bund und Ländern gemeinsam zustehende Aufkommen aus Einkommens- und Körperschaftsteuer aus, sondern steht dazu in einem angemessenen Verhältnis. „Der Zuschlag führt zu keiner Verschiebung des Ausgleichssystems der Länder“, begründete Viskorf das Urteil. Gleichzeitig betonten die Richter, dass der „Soli“ nur zur besonderen Finanzierung der Wiedervereinigung erhoben werden dürfe.
Zudem verletze der Solidaritätszuschlag nicht gegen das Gleichheitsprinzip, urteilten die Richter. Die klagende Anwältin werde nicht dadurch benachteiligt, dass der Solidaritätszuschlag bei Gewerbetreibenden nach der Einkommenssteuer bemessen werde, die zuvor bereits durch eine Gewerbesteuer gemindert worden sei.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) erhofft sich von dem Urteil eine klare Signalwirkung. „Ich hoffe, dass damit auch die Versuche der FDP aufhören, den Solidaritätszuschlag immer wieder infrage zu stellen“, sagte er in Schwerin. „Solange der Aufbau Ost noch nicht abgeschlossen ist, hat auch der Solidaritätszuschlag seine Berechtigung“, betonte Sellering. Auch Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) sagte: „Wir brauchen noch bis Ende 2019 besondere Unterstützung.“ Die neuen Länder könnten auf absehbare Zeit auf die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag nicht verzichten.
Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) begrüßte die Klarstellung durch den Bundesfinanzhof ebenfalls. „Damit ist eine lange steuerrechtliche Debatte beendet worden“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Die Entscheidung passt zur aktuellen finanzpolitischen Situation, in der die öffentlichen Haushalte nicht auf Einnahmen verzichten können.“
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zeigte sich nach einer Mitteilung der Staatskanzlei erfreut, dass „der Bundesfinanzhof die mit dem Aufbau der neuen Länder weiterhin verbundenen Sonderlasten anerkennt“. Der Ministerpräsident habe die Hoffnung, „dass die alljährlich im Sommerloch geführte Diskussion um die Abschaffung des Solidaritätszuschlages zur Einkommensteuer nun bis 2019 verstummt“. Zustimmung kam auch von Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU): „Wir arbeiten daran, dass Thüringen auf eigenen Füßen steht, müssen aber weiter aufholen.“ Dafür sei vor allem die Verlässlichkeit der Finanzierung unverzichtbar.
Auch in westdeutschen Ländern wurde das Urteil begrüßt. Schleswig- Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) sagte zum Aufbau Ost: „Nur mit dieser Hilfe können die ostdeutschen Bundesländer den Anschluss an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der übrigen Bundesländer finden, die im Rahmen des Länderfinanzausgleichs ebenfalls ihren Beitrag dazu leisten.“